Jennifer Pharr Davis – Becoming Odyssa
Becoming Odyssa – Epic Adventures on the Appalachian Trail
gehört mittlerweile zum Lese-Kanon rund um das Erlebnis Appalachian Trail. Das „Epic“ hat der Verlag in neueren Auflagen wohl aus dem Titel gestrichen, und das finde ich auch durchaus angemessen. Das Bezwingen des Trails ist sicher eine große Leistung, aber episch?
Im Jahr 2005 geht Jennifer Pharr Davis den Appalachian Trail, solo, und dieses Buch ist der Bericht ihres (ersten) Thru-Hikes. In 21 Kapiteln, die im wesentlichen den Streckenabschnitten entsprechen, die sie läuft, beschreibt sie ihre Wanderung wie ihre innere Entwicklung auf dem Hike, mit Querverweisen auf ihren späteren Rekord-Hike und ihre Liebe zu „speed hiking“. Die Kapitel tragen bezeichnenderweise Titel wie „Truth“, „Abnormality“ oder „Perseverance“.
Jennifer Pharr Davis, Trailname Odyssa (ausgewählt, weil sie sich wie Odysseus suchend in das Unbekannte begab), läuft zwar den Appalachian Trail, aber ihre Weg- und Landschaftsbeschreibungen bleiben für mich seltsam fahl. Ich habe mir wirklich Mühe gegeben, das Buch zu mögen, und die „reinen“ Trailbeschreibungen sind dann auch okay. Leider belässt sie es dabei aber nicht.
Ohne Ahnung von der Materie zu haben, begibt sie sich auf einen Thru-Hike, und maßt sich an, fortan über alles und jeden, der ihr begegnet, abschätzig zu urteilen und alles besser zu wissen. Sie mokiert sich über „Section Hiker“ und Wochenendwanderer, die die „Reinheit“ ihres Thru-Hikes störten, dabei unterbricht sie selbst öfter den Trail, und erwartet anscheinend so etwas wie Reverenz für ihre Großartigkeit von anderen Wanderern. Selbst wenn ihr großzügig Hilfe zuteil wird, hat sie daran stets etwas zu meckern; wenn ihr wiederum etwas Gutes widerfährt, dann nur, weil Gott das so wollte, und sie sich in seinem besonderen Glanz strahlt – Dankbarkeit gegenüber anderen Menschen scheint ihr nicht gegeben.
Von Becoming Odyssa kann mensch eigentlich nur lernen, wie man einen Thru Hike nicht machen sollte – schlecht ausgerüstet, unvorbereitet und mit bad attitude, dafür aber missionarischem Eifer, wenn es um die eigene Religion geht. Manche ihrer Begegnungen und Erlebnisse wirken schlicht erfunden (oder massiv überdramatisiert), bei manchen Reaktionen auf Menschen mit anderen Lebensentwürfen und Ansichten als sie selbst oder auch nur Orte, die ihr nicht *genau* das geben, was sie sich erwünscht, kann ich nur den Kopf schütteln. Spätestens bei einem Satz wie „left-wing antifundamentalists are the squirrels of the trail“ verlässt mich aber gänzlich die Lust, die Weltsicht dieser Autorin weiter zu erkunden.
Ich habe das Buch dennoch zuende gelesen (das ist dann wohl ein ThruRead), aber wieso es zum „recommended reading“ für den Appalachian Trail gehören soll, erschließt sich mir nicht.
Bewertung: