Wo die glücklichen Hühner wohnen
Braucht es wirklich noch ein Buch über Lebensmittel und Qualität? dachte ich, als ich
Martina Meuth und Bernd Neuner-Duttenhofer:
Wo die glücklichen Hühner wohnen: Vom richtigen und vom falschen Essen
das erste Mal in der Hand hielt. Wenn mir jemand „richtig und falsch“ in Ernährungsdingen im Wortsinn auf’s Butterbrot schmieren will, bin ich üblicherweise skeptisch. Doch als ich dann das schwere Hardcover – insgesamt 460 reich und bunt bebilderte Seiten, mit farbigen Markierungen am Schnitt zu den einzelnen Themengebieten – aufschlug, dauerte es nicht lang bis mich die Sachkenntnis und Begeisterung der beiden bekannten TV-Köche zu angeregtem Weiterlesen animierte.
Was Meuth und Duttenhofer hier vorlegen, ist ein kritischer und informativer Blick auf die Produktion von Lebensmitteln sowie auf mögliche Alternativen zur konventionellen Lebensmittel-Massenindustrie. Die Themen des Buches reichen von „Qualität fürs Leben“ und „Klasse statt Masse“ – ein sehr aufschlussreiches Kapitel, welches zeigt dass nicht alles was SlowFood ist automatisch auch „bio“ sein muss – über die Herstellung von Getreide und Brot (mit einem recht ausführlichen Brotartikel, der auch das exzellente Food- und Brotblog meiner Freundin Chili & Ciabatta nennt), zu Gemüse, Kräutern und Obst.
Im Bereich Fleischproduktion steht stellvertretend für andere Arten das Schwäbisch-Hällische Landschwein als Beispiel für eine artgerechte und naturgerechte Haltung und Aufzucht von Tieren, auch die Produktion von Geflügel- und Rindfleisch betrachten die Autoren kenntnisreich, es geht weiter zu Fisch, Wild, Lamm und Wurst, Schinken und Speck.
Sehr ausführlich und informativ ausgearbeitet ist das Kapitel über Milchprodukte, das u.a. das Für und Wider von H-Milch beleuchtet, nach der Natur im Joghurt fragt, und sich natürlich auch der „guten“ Butter widmet. Schliesslich gibt es noch ein Kapitel zum Thema Eier, sowie einen höchst informativen Anhang, der ein Quellenstudium erheblich erleichtert.
Mein Lieblingsartikel im Buch allerdings ist ein Bericht der Autoren vom Besuch bei einem holländischen Tomatenzüchter, der unter Glas mit modernster HiTech pestizidfreie leckere Tomaten anbaut. Unbedingt lesen!
Die gr0ße Bandbreite von Themen, die Meuth und Duttenhofer hier mit Fachkenntnis abdecken, ist exzellent aufbereitet, gut verständlich, aber was noch viel wichtiger ist, unterhaltsam und spannend zu lesen. Aufgrund der Faktenfülle wird wohl kaum jemand das Werk am Stück durchlesen, sondern eher nach bestimmten Themen suchen, oder sich kapitelweise daran versuchen. Hat man sich erst mal festgelesen, möchte man dann aber auch weiterforschen, was es noch so alles zu entdecken gibt.
Bernd Neuner-Duttenhofer und Martina Meuth haben sich augenscheinlich bestimmten Lieblingsthemen mehr gewidmet als anderen (was vollkommen in Ordnung geht). Zu manchen Themenbereichen liessen sich auch andere, vielleicht auch bessere Beispiele finden als die hier vorgestellten, aber was das Buch über seine reine Funktion als (fabelhaftes) Nachschlagewerk zu Lebensmittelqualität hinaus lesenswert macht, ist eben auch der direkte, persönliche Bezug der Autoren zu ihrem Subjekt und der individuellen Umsetzung der Ideen, sei es das eigene schwäbisch-hällische Landschwein oder die Hühnereier aus der hofeigenen Produktion.
Die Handvoll Rezepte, die durch das Buch eingestreut sind, empfinde ich als eher überflüssig – dieses Buch braucht keine Rezeptdreingabe von zweien, von denen der Leser bereits weiß, dass sie kochen können, es kann für sich stehen.
Eine Fibel des guten Essens, die man auch als altgedienter Foodie noch gern zur Hand nimmt und viel Wissenswertes und auch Neues darin finden kann – für’s eigene Regal wie als Geschenk wärmstens zu empfehlen.
Bewertung: