Elizabeth Benedict – Erotik schreiben
Erotische Texte zu schreiben, das ist eines der schwersten Unterfangen überhaupt – jeder der das einmal versucht hat, weiss, wie schwer.
In
Elizabeth Benedict – Erotik schreiben. Mit anregenden Beispielen aus der modernen Literatur
versucht die Autorin, sich dem Thema von unterschiedlichen Seiten und immer mit einem Blick auf die (englischsprachige) Literatur zu widmen. Die Kapitelüberschriften verraten schon ansatzweise, wohin die Reise geht:
- Was wird Oma von mir denken? – Autoren reden über das Thema Sex
- Eine Liebesszene ist keine Gebrauchsanleitung – und andere Grundlagen
- „Überrasch mich“ – und andere literarische Appelle
- AIDS in der Literatur – Was hat sich seit 1995 verändert?
- Die Unschuld loswerden – und andere erste Male
- Grosse Erwartungen – Hochzeitsnacht und Flitterwochen
- Lebenslänglich – Ehepartner
- Ein dreifaches Hoch – auf den Ehebruch
- Zu Dir oder zu mir – Sex aus Spaß an der Freude
- Verbotener Sex – Gesetz, Geschichte, Staatsanwalt
- Solo Sex – Allein am Telefon und im Internet
Die erste Auflage dieses Buches ist 1995 erschienen, dadurch erklärt sich auch der Rückblick im 4., überarbeiteten Kapitel auf eine nun doch etwas andere Wahrnehmungslage der Thematik; auch das letzte Kapitel liest sich 15 Jahre nach Erfindung des WWW naturgemäß etwas anders als noch vor 13 Jahren.
2002 ist dieses rund 240 Seiten starke Buch in der 2. überarbeiteten Auflage beim Autorenhaus Verlag erschienen, wieder einmal in der treffsicheren Übersetzung von Kerstin Winter. „Mit anregenden Beispielen aus der modernen Literatur“ verspricht der Untertitel, und Benedict hat sich wirklich Mühe gegeben, eine große Bandbreite von Literatur vieler sexueller Spielarten einzubinden, wenn auch interessanterweise das Thema „Kinky Sex“ und BDSM, das nach Meinung mancher Medien heutzutage stark den Mainstream in der Literatur erobert, aussen vor bleibt.
Anregend allerdings finde ich die Texte von Nabokov über Gabriel Garcia Marquez, Scott Turow und Oscar Hijuelos bis zu Wesley Gibson und Allan Barnett nur selten – die meisten vorgestellten Auszüge aus der „Weltliteratur“, die Benedict unter „erotisch“ einsortiert, sprechen mich nicht wirklich an, und das zeigt auch schon die große Problematik des Themas. Zu Sex ist jeder ein Experte, und jeder hat etwas vollkommen anders im Kopf, weswegen es „die“ Anleitung, wie man erotische Szenen schreibt, nicht gibt, nie geben wird und auch nicht geben kann.
Benedict gibt sich Mühe, die beinahe ausufernde Bandbreite der Texte über sexuelle Begegnungen vorzustellen, mögliche Themen und Motive aufzuzeigen. Natürlich ist die Wahrnehmung von Sexualität in einem aufgeklärt-säkularisierten Europa im 21. Jahrhundert eine ganz andere als noch vor 100 oder 200 Jahren, unser Umgang mit Pornographie oder einfach nur Nacktheit ist ein anderer (man vergleiche etwa die Reaktionen muslimischer Staaten wie Malaysia auf dünn bekleidete Popsternchen mit unserem medialen Alltag); während wir in Europa recht gelassen auf sexuelle Subkulturen blicken, sind in einigen Staaten der USA Oralsex oder gleichgeschlechtlicher Sex immer noch Straftaten mit dem entsprechenden Nimbus des Verbotenen, Homosexualität unter Männern ist post-AIDS eine ganz andere Nummer als davor… das Bild der Sexualität ist ein uneinheitlicheres, aber auch offeneres geworden.
So ist Benedicts Buch auch mehr ein Führer durch die Entwicklung der Sexualität in der Literatur als wirklich ein „Ratgeber“ wie man Erotik schreibt, auch wenn der Titel das suggeriert. Das Kapitel „Eine Liebesszene ist keine Gebrauchsanleitung“ und die ans Ende gesetzten Schreibübungen dagegen sind durchaus bei der praktischen Umsetzung dieser komplizierten Aufgabe hilfreich.
Ich habe mir von dem Buch mehr erwartet. Das mag daran liegen, dass bis auf zwei Szenen (ausgerechnet) aus einem schwulen Erotiktext mich keins der literarischen Beispiele wirklich überzeugen konnte, oder auch daran, dass ich mir – an einem konkreten Schreibprojekt sitzend – mehr praktische Hilfe bei der Umsetzung erhofft hatte. Summa summarum ist das Buch eine gute Einführung in die Tücken der Thematik, die aber – pun intended – unbefriedigend bleibt. Dennoch vermittelt es einen hilfreichen Überblick über die literarischen Spielarten des Liebesaktes, der jedem, der sich mit dem Themenkreis Erotik Schreiben befasst, einige hilfreiche Einsichten und Erkenntnisse liefern kann.
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