David Miller – AWOL on the Appalachian Trail
Im Jahr 2003 macht sich David Miller auf den Weg, den Appalachian Trail zu laufen. Er notiert:
I am 41 years old, and I’ve worked since getting out of college as a computer programmer. I’m in decent shape for a person who’s been holed up in an office for so long. I’m married and have three little girls. Our fifteenth wedding anniversary will pass in my absence. Nothing is wrong with my life. My family is outstanding. I have what most people would consider to be a decent job. I’m not unhappy, and I’m not hiking to escape from anything. My life is precariously normal. I’ve been told that taking this trip at this time in my life is irresponsible, a charge I won’t contest. Maybe doing it later in life would make more sense. But my father had bypass surgery and my mom is fighting cancer. My opinion of „later“ is jaded.
Das Buch zu diesem Trip,
AWOL on the Appalachian Trail
erschien dann im Jahr 2010.
AWOL steht für „Absence without (official) leave“, und kommt aus dem Militärjargon. Es beschreibt Leute, die ihren Militärposten / Job verlassen, ohne dass ein Vorgesetzter das genehmigt hat.
Für David ist es aber auch eine Beschreibung seiner Situation. Schon ein Jahr zuvor hatte er versucht, von seinem Arbeitgeber freigestellt zu werden, ein Sabbatical für den Appalachian Trail genehmigt zu bekommen, aber man wollte ihm nicht entgegenkommen. So begann er zu trainieren, mit der festen Absicht, ein Jahr später den Trail zu laufen, komme was wolle. Und da ihm sein Boss nicht freigeben durfte („corporate policy“), ging er eben einfach so. Und erkor sich AWOL zu seinem Trail Name.
AWOL on the Appalachian Trail ist eine Art Tagebuch, eine Dokumentation einer Wanderung auf dem AT. Miller erzählt von den physischen Herausforderungen und gesundheitlichen Problemen, mit denen er sich herumschlagen muss. Er reisst ein wenig Reflektion über seinen Job an, im Großen und Ganzen bleiben persönliche / emotionale Themen jedoch außen vor. Dafür kann man seinem Reisebericht gut entnehmen, wie der „Alltag“ auf dem Trail, wenn man das denn so nennen will, aussehen kann. Es ist im besten Sinne eine Dokumentation seiner Tage auf dem Trail, aber auch nicht viel mehr.
Was mir im Kontrast zu anderen Büchern von Langstreckenwanderern fehlt, sind zum einen szenische Naturbeschreibungen – es ist, als ginge die ganze Grandiosität des Erlebnisses einfach an ihm vorbei – und zum anderen tiefergehende persönliche Einsichten. So hat das Buch eher Handbuchcharakter. Tatsächlich ist David Miller auch Autor eines mittlerweile als Klassiker geltenden, regelmäßig überarbeitet erscheinenden Handbuchs zum Appalachian Trail: The AT Guide Northbound.
Miller hat im Vergleich mit anderen Wanderern eine gute Basis – er hat die Unterstützung seiner Familie und vor allem seiner Ehefrau, vor der ich den Hut ziehe. Man merkt auch, dass er mit anderen Erwartungen an die Sache heran geht als ein College-Kid – was sich u.a. darin spiegelt, dass er häufig in Hostels und Herbergen übernachtet, und von den Begegnungen mit den Gastgebern auch ausführlich berichtet.
So richtig warm werde ich mit der Erzählung aber nicht, dafür ist sie für mich zu sterile „Dokumentation“ – vielleicht ist es ja genau das, was man von einem Programmierer erwarten kann.
Wer sich mit dem Gedanken trägt, den AT oder einen anderen Weitwanderweg zu absolvieren, dem kann ich das Buch empfehlen. Begeistern kann es mich allerdings nicht.
Bewertung: