Biographien Reisen

Andreas Altmann – Triffst Du Buddha, töte ihn!

Andreas Altmann, Reisejournalist und Autor, hatte ein sehr abwechslungsreiches Leben. Sein Lebensweg führte ihn aus Altötting auf Umwegen und über ein Schauspielerdasein nach Paris, nach New York, in ein japanisches Zenkloster, in einen Ashram, nach Mexiko City, und auf der hier beschriebenen Reise nach Indien.

Der etwas plakative Titel ist allerdings irreführend (und wird im Verlauf des Buches auch erklärt), denn Altmann schlägt keineswegs vor, (einen) Buddha zu töten. Tatsächlich betrachtet er selbst sich im sehr ursprünglichen Sinne als einen Buddhisten (wenn auch einen streitbaren), und ermutigt seine Leser, sich ebenso streitbar und selbstkritisch mit Buddha, den Weltreligionen und sich selbst auseinander zu setzen.

In

Triffst du Buddha, töte ihn! Ein Selbstversuch

reist er nach Indien, nicht ganz sicher, was er genau sucht, jedenfalls nicht „die Erleuchtung“, aber doch irgendwie etwas, oder jemanden, die ihm helfen, sich selbst und die Welt besser zu verstehen, besser anzunehmen, glücklicher zu sein. Und so ist das Buch ebenso sehr eine Erzählung einer Reise durch Indien wie ins eigene Selbst.

Bei Altmanns Beschreibungen von Indien, des indischen Alltags, des Chaos, der Armut, der grassierenden Gleichgültigkeit auf dem Subkontinent, der Hitze, der vielen Eigenheiten, die Indien so faszinierend und gleichzeitig mühsam und fremd machen, musste ich häufig lächeln. Es ist ein recht schonungsloser Bericht über das Indien jenseits der 5-Sterne-Hotels, und doch auf seine Weise ein wohlwollender; vieles, das der Autor gelassen hinnimmt, wäre für mich ein guter Grund, nicht nach Indien zu reisen. Doch die Reise bis nach Varanasi und sogar zu den heiligen Stätten in Nepal ist nur eine Randerscheinung – letztlich findet er das, was er sucht, in einem Vipassana-Retreat.

Vipassana bedeutet eigentlich Einsicht, steht aber für eine bestimmte Meditationspraxis, die üblicherweise zehntägige Retreats beinhaltet, bei denen weder gesprochen noch gelesen noch geschrieben werden darf; in Klöstern bzw. Gemeinschaftszentren. Diese Kurse werden (auch in Deutschland) kostenlos angeboten, eine Spende ist stets willkommen.

Da ich schon öfter mit Vipassana geliebäugelt (und davor zurückgeschreckt) habe, fand ich diesen Teil des Buches sehr spannend; wer allerdings mehr von Indien lesen will, ist vielleicht eher enttäuscht, dass sich Altmann so ausgiebig seinen (höchst privaten) Erlebnissen bei dieser Meditation im winterlichen Indien widmet. Er kann es nicht lassen, und schmuggelt Stift und Papier in seinen Retreat, wie sich überhaupt durch das Buch als roter Faden zieht, dass er sein eigenes Ding macht, sich nicht einlullen lassen will von religiösen Ge- und Verboten, sondern seinen eigenen Weg zum Glück (oder was er dafür hält) zu finden gedenkt, sein Leben voll auskosten will.

Die Kapitel führen den Leser durch jeden der zehn Tage der Vipassana-Klausur und Altmanns Erleben derselben, aber natürlich schweift er – wie bei der Meditation auch – ab, und erkundet dabei noch ganz andere Bereiche seines Lebens.

Streckenweise macht es großen Spaß, seine Texte zu lesen und seinen Gedanken zu folgen, manchmal sind sie aber auch – vielleicht dem Thema geschuldet – repetitiv und ermüdend. Zwar geht es ums Loslassen, darum, andere sein zu lassen, nicht zu urteilen, hinzunehmen, und doch verfällt er fast in Hasstiraden auf Dinge, die sich ihm nicht erschließen oder die er für falsch hält, obwohl sie ihm keinen Schaden zufügen. Altmanns Fixierung auf Sex und den weiblichen Körper (wie seine Generalisierungen über andere Menschen) sind bisweilen irritierend. Auf der anderen Seite sieht er viele Dinge in der Welt mit einer klaren Sicht, die man nur bewundern kann, und ich habe aus der Lektüre dieses Buches für mich so manche Einsicht mitgenommen, die mein Leben bereichert -mehr kann man von einem Buch eigentlich nicht erwarten.

Wer noch nie in Indien war und erwägt, dorthin zu reisen, dem seien besonders die ersten, sich der Reise und den Menschen dort widmenden Kapitel des Buches anzuraten – es ist auf seine Art ein Augenöffner. Es ist allerdings nur zur Hälfte ein Reisebericht, und wer Tempel, Ganges und Exotik erwartet, wird vielleicht enttäuscht (wenn auch der Ganges und viele „heilige“ Orte des Buddhismus eine Rolle spielen).

Am Ende bin ich bei meiner Bewertung ein wenig unentschieden. Mir hat das Buch gefallen, ich hab es – trotz einiger Längen – gern gelesen. Es ist keine uneingeschränkte Leseempfehlung und gewiss kein Must-Read, aber doch lohnend, wenn man sich für diese Thematik interessiert.

Bewertung: ★★★½☆