Terry Pratchett – Toller Dampf voraus (Hörbuch)
Der 40. Scheibenwelt-Roman
Das Buch
Auch auf der Scheibenwelt ist der Fortschritt nicht aufzuhalten. Ein junger Ingenieur namens Dick Simnel erfindet kurzerhand die Eisenbahn, und findet in Paul König einen Investor für seine irrwitzigen und vor allem kostspieligen Ideen, wie man die Städte der Scheibenwelt miteinander verbinden könnte. Sir Paul, der hier eine Chance sieht, sich auch gesellschaftlich über seine Position als „König der Scheisse“ zu erheben, ist begeistert wie ein kleiner Junge von dem neuen, lebensgroßen Spielzeug, und damit ist er nicht alleine. Schon bald entwickelt sich in und um Ankh-Morpork eine Szene von Trainspottern, und jeder, wirklich jeder will bei der Eisenbahn arbeiten – selbst Drumknott, der Sekretär von Vetinari.
Terry Pratchett – Toller Dampf voraus
Doch Eisenbahnbau ist kein ganz einfaches Geschäft; für Strecken in ferne Länder muss man viele Rechte und Landstreifen beschaffen, und plötzlich schaltet sich Vetinari ein und beauftragt Moist von Lipwig genau damit. Insbesondere will er – möglichst gestern – eine Strecke nach Überwald haben. Vetinari verfolgt mit dem Vorantreiben der Eisenbahnexpansion selbstredend ganz eigene Pläne, und die haben nicht nur mit frischen Erdbeeren und Fischen aus Quirm zu tun. Schon bald stellt sich heraus, dass die Eisenbahn noch mehr Veränderungen auf der Scheibenwelt mit sich bringt. Wer nicht angebunden ist, ist „nicht auf der Landkarte“. Die Welt sortiert sich neu, komplett neue Wirtschaftszweige entstehen…
Ins Geschehen mischen sich außerdem politische Zänkereien bei den Zwergen, allen voran gesteuert durch die Grags, die den unheiligen Eisenbahnbau unbedingt verhindern wollen. Tatsächlich ist Toller Dampf voraus (im Original: Raising Steam) ebenso sehr ein Roman über die Zwerge und ihre Entwicklung wie über die Eisenbahn.
Der Roman mischt eine ganze Menge alter Handlungsstränge der Scheibenwelt, und es hilft ungemein, wenn man Bücher wie Thud! oder den Fünften Elefanten kennt, um alle Zusammenhänge zu verstehen. Positiv hervorzuheben ist das Nebeneinander von Magie und Technologie, die hier fast nahtlos zusammenfließen, sowie die Auseinandersetzung mit Konservativismus und Technologie(feindlichkeit), die Pratchett gekonnt in der zwergischen Gesellschaft einwirkt. Tatsächlich sind es u.a. die Zwerge auf beiden Seiten der Gleichung, die diesen Roman lesenswert machen. Gleichzeitig bleiben viele Charaktere des Romans unterhalb ihrer Möglichkeiten und wirken fahl, ja teilweise – wie ein viel zu viel redender Vetinari – off-character.
Insgesamt wirkt das Buch konfus; man merkt schon, dass Pratchett nicht mehr auf der gleichen geistigen Höhe war wie bei früheren Romanen (und/oder andere daran mitgewirkt haben, die mit den Eigenheiten der Figuren weniger vertraut waren). Die leider erneut nur mäßig gelungene Übertragung des pratchett’schen Wortwitzes durch Gerald Jung macht den Roman dann zusätzlich unnötig zäh und schwerfällig.
Das Hörbuch
Jens Wawrczek gibt sich alle Mühe, die Texte von Pratchett bzw. Gerald Jung gekonnt zu intonieren. So ist das Hörbuch streckenweise ganz vergnüglich zu hören. Allerdings hat man – was nicht am Hörbuch, sondern an der Vorlage liegt – das Gefühl, in manchen Abschnitten durch die Story gehetzt zu werden, und das wenig charaktergetreue Verhalten so mancher altbekannten und geliebten Figur löst ab und zu Stirnrunzeln bei mir aus. Die Qualität der deutschen Übersetzung schließlich führt dazu, dass ich jedem, der genug Englisch kann, doch lieber die Hörbuchfassung des Originals (gesprochen von Stephen Briggs) ans Herz legen würde. Ein guter Roman wird Raising Steam aber auch in dieser Version nicht.
Bewertung: