Matt Beaumont – Staying Alive
Murray ist ein langweiliger Anzugtyp, der in einer Werbeagentur arbeitet und mit der Kamera Store-Checks durchzieht. Sein alter VW Polo streikt seit Wochen, gerade eben hat ihn seine große Liebe für einen aufgeblasenen Wichtigtuer verlassen, just in dem Moment, als er ihr mit einem (noch nicht bezahlten) 6.000-Pfund-Ring einen Antrag machen wollte, er hat keine echten Freunde, und sein Leben ist absolut öde. Trotzdem lebt er sein Leben weiter wie bisher, katzbuckelt vor seinem arroganten Chef, und gibt sich Putz- und Aufräumorgien in seiner Wohnung hin, denn er hat einen Reinlichkeits- und Ordnungstick.
Eigentlich hatte er immer davon geträumt, etwas Verrücktes zu tun. Auf einem Maultier durch die Anden zu reiten. Es allen zu zeigen. Oder wenigstens den Zuschlag für seinen Traum-Werbeetat, Mr. Muscle (so etwas wie Meister Proper) zu bekommen. Doch dann, eines schönen Tages, ereignen sich ein paar Dinge, die Murrays sorgsam sortierte, kleine, langweilige Welt aus der Bahn reißen.
Matt Beaumont – Staying Alive
Denn Murray entdeckt einen Knubbel. An einer sehr privaten Stelle. Und er wird überfallen, zu Hause, von einer kleinen Punkerin namens Fish und ihrem Kumpel, einem gemeingefährlichen Irren. Sie bringen ein aberwitziges Durcheinander in seine aufgeräumte Wohnung, und der Knubbel erweist sich als bösartige Geschwulst an seinen Kronjuwelen, und auch das bringt Störwellen in sein geordnetes Leben. Und schließlich begreift Murray, widerwillig, dass er nur noch wenige Wochen zu leben hat. Und er nur noch diese eine Chance hat, den „wahren“ Murray zu entdecken, ausgeflippte Dinge zu tun, und es allen zu zeigen.
So redet er Klartext mit seinem Chef, legt einem Kunden den echten Originalvorschlag einer Kampagne vor, statt den verwässerten Blafasel-Beitrag, den die Marketingfritzen der Agentur daraus gemacht haben, und gibt den Porsche seines Vorgesetzten bei Mafiosi in Zahlung, um sich einen Kredit zu beschaffen, den er ohnehin nicht mehr wird zurückzahlen müssen (Tote kennen keine Ratenzahlung), Daraufhin verschwindet Murray mit Fish und seinem Kollegen und Kumpel Vincent, der völlig überraschend ein uneheliches Kind aus dem Hut zaubert, nach Spanien, wo seine Mutter mit ihrem zweiten Ehemann in einer Briten-Siedlung lebt. Und stolpert dort, von seiner Krankheit schon reichlich gebeutelt, mitten in Angelegenheiten des organisierten Verbrechens, die ihn sehr viel eher das Leben kosten könnten, als ihm eigentlich lieb ist…
Dazwischen stellt er fest, dass Fish eigentlich die ausgerückte Tochter eines Medienbarons ist, die von seiner Exfreundin (einer Anwältin) nach Strich und Faden betrogen wurden, und als er schließlich wieder daheim in UK ist, erwartet ihn eine weitere, nicht minder schockierende Überraschung…
Was wie ein Krimi klingt, ist eher eine launige Britpop-Komödie mit einem ziemlich verpeilten Verlierer als unfreiwilligem, dämlichem Helden. Murray bekommt Höchstnoten in hormongesteuertem Denken, Kriechertum und simpler Blödheit, und wird erst sympathisch, als er beginnt, sich wirklich für Fish zu interessieren, und kapiert, dass seine ehemalige Flamme Megan ihm nichts mehr bedeutet.
Die Handlung rund um Murrays Vater und den verhassten Stiefvater, der sich als sehr viel smarter erweist als Murray sich vorstellen konnte, und der ein Insider in Sachen organisiertes Verbrechen ist, ist streckenweise hanebüchen, die Szenen mit den Schlägern der kriminellen Geldgeber sind klischeeüberladen – wie überhaupt der gesamte Roman vor Klischees nur so strotzt.
Ganz stark ist Murrays Auftritt beim Barbecue der Briten in Spanien, die über die Immigranten in Großbritannien schimpfen, hier scheint – ebenso wie bei den satirischen Einsprengseln aus der Werbeagentur – ein Stück Gesellschaftskritik durch.
Slapstick trifft Kriminalroman. Mich hat das Buch nicht restlos überzeugt, dafür sind zu viele Plotlücken und trottelige Wendungen darin, was aber auch daran liegen könnte, dass ich die Hauptfigur nicht wirklich sympathisch finde. Gute Unterhaltung aus Großbritannien mit viel Lokalkolorit, routiniert geschrieben, mit witzigen Dialogen, aber im Handlungsverlauf nicht zwingend – Popcorn-Kino in Buchform.
Bewertung: