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Lene Gammelgaard – Die letzte Herausforderung

Untertitelt ist Lene Gammelgaards Bericht über ihre Teilnahme an der Sagarmatha-Umweltexpedition vom 1996 mit „Wie ich die Tragödie am Mount Everest überlebte“. Die knappe Antwort darauf ist: mit Glück. Sehr viel Glück.

Einen Achttausender zu besteigen ist kein Zuckerschlecken – das weiß auch die erfahrene dänische Bergsteigerin, als sie beschließt, gemeinsam mit einem Team um die Firma ‚Mountain Madness‘ des bekannten Bergsteigers Scott Fischer den Chomolungma oder Mount Everest zu besteigen. Sie will die erste Dänin auf dem Dach der Welt werden – und heil wieder herunter kommen, das ist von Tag 1 ihres Trainings ihr wichtigstes Mantra.

Lene Gammelgaard – Die letzte Herausforderung

Neben der Besteigung des höchsten Berges auf unserem Planeten, vorzugsweise ohne Sauerstoff, haben es sich die Teilnehmer der Expedition zum Ziel gesetzt, etwas von dem dort angesammelten Müll vom Berg zu tragen. Denn die Höhen des Himalaya sind längst nicht mehr jungfräulich – nicht nur weniger glückliche Bergsteiger kann man schockgefroren in den kalten Gräbern des Berges vorfinden, vor allem haben die Expeditionen ihren Müll, insbesondere Unmengen von Sauerstofflaschen zurückgelassen.

Gammelgaard berichtet in einer Art Tagebuch von den Anfängen des Projektes Mount Everest bis zu den ebenso berauschenden wie extrem harten Tagen des Kletterns, die sie über ihre körperlichen und geistigen Grenzen hinaus belasten. Sie erzählt von der Kameradschaft in ihrem Team, den großartigen Menschen, die sie trifft, von der eingeschworenen Gemeinschaft der Profibergsteiger, von den menschlichen Problemen, die diese mit sich herumtragen; vergisst darüber auch nicht die Sherpas, ohne die diese prestigeträchtigen Unternehmungen unmöglich wären.

Vor allem aber wird bei der Lektüre ihres Reiseberichtes klar, was für ein Irrwitz eine Himalayaexpedition eigentlich ist, welch schier übermenschliche Leistungen die Teilnehmer erbringen, welch absurde Risiken sie in ihrer Begeisterung für die Grenzerfahrung eingehen. Dass jegliche noch so gute Planung von den Unwägbarkeiten eines gnadenlosen Wetters binnen Sekunden umgeworfen werden kann, jahrelange Vorbereitung mit einer Windbö in 7900 Metern Höhe in der Katastrophe enden kann… dass die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit eines einzelnen ein ganzes Team in Lebensgefahr bringen kann, all das verankert die Autorin unprätentiös und wirkungsvoll in ihrem knappen, sachlichen Stil im Gehirn des Lesers.

Lene Gammelgaard schafft es zum Dach der Welt – und heil wieder zurück, doch nicht alle Teammitglieder sind so glücklich. Scott Fischer bleibt auf dem Berg der Berge zurück, ausgerechnet der Teamleiter, der vielleicht erfahrenste von allen.

Es gibt andere Darstellungen der Vorfälle im Mai 1996, darunter auch von Anatoli Boukreev, der nicht viel später tödlich verunglückte. Die Intensität der Grenzerfahrung vermag Gammelgaard zu vermitteln, in die Psyche ihrer Mitkletterer dringt sie dagegen kaum ein, und so ist dieses Buch auch eine rein auf Gammelgaard bezogene Erzählung der Sagarmatha-Expedition, die für sich allein genommen die Ereignisse nicht auflöst. Sie zeigt uns eine starke Frau, die unbeirrt ihren Weg geht und immer und immer wieder betont, dass jeder 100prozentig für sich selbst verantwortlich ist, und dies auch lebt – nur so kann sie ein Vorhaben wie die Everest-Besteigung erfolgreich beenden.

Gleichzeitig lässt uns Gammelgaard auch an der grandiosen Schönheit der Natur und ihrer tiefen Verbundenheit mit allem Sein teilhaben.

Ein faszinierendes, eiskaltes Bergabenteuer aus dem realen Leben.

Bewertung: ★★★★☆