Joyce Carol Oates – Beim Schreiben allein
„The Faith of a Writer“ lautet der Titel einer Sammlung von Essays über das Schreiben und das Dasein als Schriftsteller, welche Joyce Carol Oates mit einer Ausnahme zwischen 1994 und 2003 verfasst und veröffentlicht hat. (Die Ausnahme ist der Essay „Bemerkungen über das Scheitern“, der 1973 das Licht der Welt erblickte).
Beim Autorenhaus-Verlag wird daraus (in der deutschen Übertragung von Kerstin Winter)
Joyce Carol Oates – Beim Schreiben allein. Handwerk und Kunst
Das 159 Seiten umfassende Büchlein beginnt mit einer Einleitung über das Schreiben als die einsamste aller Künste und setzt gleichzeitig den Ton für die Essaysammlung – undogmatisch soll sie sein, und unterschiedliche Facetten des Schreibens beleuchten.
Dabei sind weite Strecken der Essays autobiographisch gefärbt, von den bildhaften Erinnerungen an eine kleine Dorfschule in Oates‘ Kindheit bis zur Beschreibung ihres Arbeitszimmers, andere Texte erreichen mehr die Qualität einer Seminararbeit im literaturwissenschaftlichen Studium und befassen sich explizit mit Fragen zur Analyse der Werke anderer Autoren, ihrem Einfluß bei der Stilbildung, oder der historischen Entwicklung von authentischen „Stimmen“ einzelner (englischsprachiger) Autoren.
Rechnet man das „Glaubensbekenntnis“ der Schriftstellerin, das als eigener Text eingangs steht, mit, umfaßt dieses Buch 13 Essays, die tatsächlich höchst unterschiedliche Aspekte des schriftstellerischen Daseins beleuchten und vielen interessante Anregungen, aber auch Aha-Effekte liefern – da ist etwa ihre Ansprache „an einen jungen Schriftsteller“, ein Motivationstext erster Güte, in dem eine erfahrene Autorin weitergibt, was sie selbst gern als junge Schriftstellerin gewusst oder gehört hätte; da sind ihre Überlegungen zur Wirkung des Laufens auf das Schreiben, die mich an Chatwins Traumpfade erinnern; oder auch das wunderbare Interview mit der Autorin über ihren Roman „Blond„, in welchem sie sich die Figur der Norma Jeane Baker zu eigen gemacht hat, und der sich ganz unerwartet in Richtungen entwickelte, von denen sie bei Arbeitsbeginn nie zu träumen gewagt hätte.
Was dieses Buch aber nicht ist, ist ein Schreibratgeber im klassischen Sinne. Dafür liefert es viele Einsichten und Anregungen für Schreibende, die sicher auch noch im Unterbewusstsein so manche Wirkung entfalten werden.
Mit den beiden stark literaturwissenschaftlich geprägten Essays habe ich mich zum Teil schwer getan, was nicht zuletzt damit zu tun hat, dass diese sich ausschließlich mit englischsprachiger Literatur befassen – etwas Ähnliches würde ich mir für den deutschen Sprachraum wünschen. Hier weicht Oates von dem sonst persönlichen Tonfall der Texte ab und geht in einen stark analytischen Stil über, der zwar thematisch unvermeidlich ist, aber doch einen Bruch zum restlichen Buch darstellt; während die übrigen Essays durchweg flüssig zu lesen sind, ist hier auch verstärkte Konzentration gefragt, gerade wenn man die zugrunde gelegte Literatur nicht (am College) längst gelesen hat.
Beim Schreiben allein. Handwerk und Kunst ist eine schöne, anspruchsvolle, motivierende und stimulierende Sammlung von Essays rund um das Schreiben, die ich vielleicht nicht zwingend zum Nachschlagen in der Handbibliothek haben muss, aber doch jedem, der sich aktiv mit Schreiben als Kunst und Ausdrucksform des Selbst befasst, ans Herz legen kann.
Bewertung: