J. S. McDougall – tweetsmart
J. S. McDougall – #tweetsmart: 25 Twitter Projects to Help You Build Your Community
Ein Buch über Twitter, noch dazu von O’Reilly, das muss ja cool sein. Oder?
„OK. I’ve got my Twitter account…now what can I do with it?“ Sound familiar? #tweetsmart provides the answer with 25 creative projects to help your business, cause, or organization grow. But this isn’t just another social media marketing book-it’s the anti-marketing how-to community-engagement book.
verspricht der Klappentext dem willigen Käufer. Klingt erst mal super; man beachte aber schon mal zur Vorsicht den Hinweis auf „business, cause or organization“ – denn zumindest an eine Zielgruppe richtet sich dieses Buch eigentlich nicht: die Einzelperson, den Selbstständigen, der seine Marke, seinen brand positionieren und stärken möchte.
Die Einleitung erzählt eine hübsche kleine Geschichte aus dem Leben des Autors, die sehr nachdrücklich transportiert, wie „echt“, wertvoll und authentisch die seltsame Kommunikation mit wildfremden Menschen selbst mit beschränkten Mitteln (wie z.B. 140 Zeichen) im Leben eines Menschen sein kann, wie bedeutungsvoll, und das aus einer Prä-Internet-Perspektive. Das macht Spaß und setzt einen Erwartungsrahmen, der allerdings etwas ganz anderes beinhaltet als das Buch tatsächlich abliefert.
Der Untertitel des Buches lautet
25 Twitter Projects to Help you Build Your Community
Diese 25 Projekte sind
- Chapter 1 The Radio Contest
- Chapter 2 The Tweet & Eat
- Chapter 3 Hashtag Games
- Chapter 4 Twitter Market Research
- Chapter 5 Twitter AdLibs
- Chapter 6 Twitter Haiku
- Chapter 7 Photo Caption Contest
- Chapter 8 Treasure Hunt
- Chapter 9 Twitter BOGO—Buy One, Get One
- Chapter 10 Discussion Groups
- Chapter 11 Tweet Bombs
- Chapter 12 Web Scavenger Hunt
- Chapter 13 Random Retweet
- Chapter 14 A Picture is Worth 7.14 Tweets
- Chapter 15 The Star in the Crowd
- Chapter 16 Digital Hide & Seek
- Chapter 17 Smile. You’re on Camera.
- Chapter 18 Half-Off Hangman
- Chapter 19 Topic Quotes
- Chapter 20 Twitter Trivia
- Chapter 21 Twitter Telephone
- Chapter 22 Where In The World Is…?
- Chapter 23 I Feel So Close To You Right Now
- Chapter 24 I’ve Got The Golden Ticket!
- Chapter 25 Real-World Scavenger Hunt
Bereits im „Radio Contest“ – dem Analog zum Radio-Gewinnspiel vom Typ „seien Sie der 10. Anrufer“, nur hier eben der x-te, der auf einen Tweet wie gewünscht reagiert – geht es darum, ein Produkt oder eine Dienstleistung zu promoten. Inwiefern das kein Marketing sein soll, erschließt sich mir nicht; mit Community-Building hat das bloße Raushauen von Retweet- und Commentschleudern zu Gewinnspielzwecken jedenfalls nur begrenzt zu tun, aber vielleicht ist das ja ein Ausreisser…
Projekt Nummer zwei ist eine twitterbasierte Schnitzeljagd, an deren Ende willige Mitspieler ein kostenloses Testprodukt (im Beispiel Burritos zur Promotion eines darniederliegenden Restaurants) erhalten. Eine im Prinzip erst mal gar nicht so dumme Idee. Wie man sie auch für andere Zwecke einsetzen könnte, muss man sich überlegen.
Das dritte Kapitel erklärt, wie man ein witziges Wortspiel-Mem startet und dazu ein Hashtag verwendet. Okay. Nummer vier ist Marktforschung mittels Twitter oder auch: frag die User nach ihrer Meinung. Oder, in McDougalls Worten:
By inviting people into your decision-making process, you’re allowing your audience to become emotionally invested in the product or project on which you’re working.
Das ist sicher eine Methode des Community-Buildings, aber keine twitterspezifische, nur dass Twitter ggf. real-time-Partizipation liefert. Die nächsten drei „Projekte“ – Lückentext, Haikus, Fotos betexten – zielen ebenfalls auf User-Interaktion, mit der man sein eignes Zeug promotet. Wie überhaupt die Mehrzahl der Twitter-Strategien des Buches darauf hinauslaufen, altbekannte Marketingmaßnahmen an den Mann oder die Frau zu bringen (Buy one get one free, löse Deine Twitter-Freebies im Shop ein, ist eine der ganz offensichtlichen davon).
Projekt 10 – Twitter Diskussionsgruppen – sind eine der wenigen Ideen, die ich persönlich in diesem Buch mag, am Beispiel von #ttot (travel talk on twitter) kann man im realen Twitter-Leben sehr gut sehen, wie eine themenbasierte Diskussion mit Interessenten und Aktiven eines weit gefassten Bereichs wirklich inspirierende, aufschlussreiche, nützliche Kurzdiskussionsrunden zusammenbringt (und diese u.a. auch per Facebook koordiniert). Ansonsten fehlt es dem Buch aber an genau diesen Ideen, die „echte“ Community erzeugen und nicht nur rein dem Produktvertrieb zuzuordnen sind, (oder schlicht die Timeline mit Nonsens füllen, um Leute irgendwie zum Mitmachen zu bewegen); Imagepflege sieht für mich anders aus.
Dafür fehlen jede Menge der nerdigen und meines Erachtens auch wichtigen Ideen, von Twitterwalls und Hashtags für Events bis zu so banalen Dingen wie, dass man sich für seine Timeline auch interessieren sollte und auf Dinge reagieren, die nicht mit von einem selbst gestarteten Games oder dem eigenen Produkt zu tun haben; nichts ist öder als ein „business“-Twitterer, der nur sein kommerzielles Programm abspult, und sowas merken die User recht schnell.
Die 25 Projekte beinhalten einige gute Ideen, die man mit etwas Modifikation als Social-media-Beauftragter oder -Evangelist sicher für die eigenen Zwecke anpassen kann, und das kleine Büchlein ist (dem Thema geschuldet) kurz und knapp gehalten und schnell durchgeblättert. Von „Anti-Marketing“ (oder gar „kreativen Ideen“) kann allerdings keine Rede sein, nicht mal Guerilla Marketing; im Gegenteil, das Gros der Maßnahmen ist sogar ganz klassisches Marketing, wie man es quer durch Print, Radio und Web überall finden kann. Alter Wein in neuen Schläuchen, sozusagen, bzw. in 140 Zeichen.
Summa summarum: wer sich noch nie mit Twitter befasst hat, und noch nie ein Mem wie #einbuchstabendanebentiere erlebt und daran teilgenommen hat, für den liefert das Buch ein paar nützliche Tipps. Allerdings wäre mein erster Tipp dann, sich das Medium, in dem man sich auszutoben gedenkt, erst mal anzuschauen und verstehen zu lernen, ehe man loslegt – oder jemanden damit zu beauftragen, der sich damit auskennt.
#tweetsmart kann mich nicht überzeugen – vielleicht, weil ich bei Twitter schon zu lang dabei bin, oder auch weil mir die Massenstreuungsmarketingmaßnahmen, die vorgeschlagen werden, weder als Angesprochene noch aus Ausübende wirklich zusagen würden. Vor allem aber habe ich das Gefühl, dass etwas versprochen wird, was das Buch nicht liefern kann und will, und das ist immer ein wenig enttäuschend, kann aber auch an meinen Erwartungen an das Werk liegen.
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