Herbert W. Franke – Cyber City Süd
Herbert W. Franke, von der ZEIT zum „prominentesten deutsch schreibenden SF-Autor“ gekürt, kann als einer der Altmeister des Genres betrachtet werden. Viele seiner frühen Werke habe ich mit Begeisterung verschlungen. Umso mehr freute es mich, ein erst 2005 erschienenes Buch von ihm in der Bibliothek zu finden.
Herbert W. Franke – Cyber City Süd
Ort der Handlung ist eine Stadt mitten in der Wüste, in einem arabischsprachigen Land, das sich von den Nachwirkungen eines großen Krieges mit und gegen Ausländer erholt. An vielen Stellen werden zum Teil sehr gelungene, zum Teil auch recht bemühte Reminiszenzen an den Golfkrieg herauf beschworen. Das Setting könnte aber in jedem erdölexportierenden Staat der arabischen Welt angesiedelt sein.
Cyber City Süd ist eine hochtechnisierte Unterhaltungsstadt für reiche Ausländer, ein Las-Vegas-meets-Themepark par excellence.
Die Unterhaltungsmetropole, die man mitten in die Ruinen einer jahrtausendealten Stadt des Landes hineingepfropft und dann sorgsam davon abgeschottet hat, damit nur ja kein Tourist mit der Realität in Kontakt kommt, ist ein perfekt durchinszeniertes Ereignis, in dem sogar inszenierte Überfälle nur dem Adrenalinschub und der anschließenden Entspannung der zu melkenden Geldkuh Tourist dienen, kontrolliert von einer alles bis ins Detail ausspionierenden Sicherheits- und Überwachungsmaschinerie.
Mit Majda, die auf der Suche nach ihrem Vater ist, landet der Leser in Cyber City Süd und lernt seine Attraktionen kennen. Majdas Vater hat vor dem Krieg für die Regierung des Landes hier gearbeitet und nach Wasser gebohrt – doch dann verschwand er spurlos. Eigentlich will sich Majda gar nicht vergnügen, aber sie wird von den Attraktionen – und wohl auch Psychodrogen – so in deren Bann gezogen, dass sie ihren eigentlichen Plan lange verdrängt.
In einem weiteren Handlungsfaden erfährt man von der Existenz eine Untergrundorganisation, die auf eine Art Armageddon hinarbeitet, um das Land zu befreien, und bald wird klar, dass nicht nur CCS, sondern die ganze Region dringend Wasser benötigt (nein, wirklich?). Wasser ist genau das, was Majdas Vater gefunden hatte, bevor er verschwand…
Der Roman ist vollgestopft mit einer Menge von Ideen. Der Wüsten-Theme-Park als Geldmaschinerie einer Region, deren Erdölquellen versiegt sind, ist smart, aber es ist unglaubwürdig, dass jemand – ganz besonders in einem arabischen Land – vergessen würde, wie sehr eine solche Maschinerie auf Wasser angewiesen ist, oder dass die Geldgeber diesen Punkt ignorieren.
Die im Untergrund seit dem Krieg als eine Art Sleeper wartende Armee von jungen Männern, die für den Tag X mit Psychodrogen vorbereitet werden, erinnert zu fatal an US-Terrorszenarien, ist aber ebenso unschlüssig ausgeführt wie der Rest des Romans. Ingesamt drei Handlungsebenen hat Cyber City Süd, die sich erst kurz vor Schluss und auch nur mit viel gutem Willen zu einem sinnvollen Ganzen vereinen.
Dafür ergeht sich Franke über weite Strecken in detaillierten Beschreibungen der Vergnügungswelt CCS, ohne dass es die Handlung irgendwie voran brächte. Die Hauptfigur bleibt ohne Profil, hin- und hergeworfen von den Wechselfällen des Schicksals, fremden Menschen, die sie zu etwas drängen müssen, das sie selbst möchte, oder die sie manchmal auch nur aushorchen wollen, und denen sie mit unglaublicher Naivität begegnet, obwohl sie es doch eigentlich besser weiß.
Cyber City Süd ist eine Anhäufung von viel versprechenden Ideen und Plotstücken, die – ganz im Gegensatz zum Klappentext, der „atemberaubend spannende“ Unterhaltung verspricht – bei aller Faktenfülle unglaublich langweilig zu lesen sind. Aus der Storyline hätte man sehr viel mehr machen können – hier hat einer der Großen der SciFi ein Thema verschenkt. Schade.
Bewertung: