Harry Harrison – New York 1999
Kaum zu glauben, dass dieser Roman (Originaltitel: „Make Room! Make Room!“) schon 1966, 6 Jahre vor dem ersten „Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit“ erschien, und auf deutsch 1969. Harrison schrieb eine Dystopie, die aus dem heutigen Blickwinkel umso beklemmender wirkt, weil so viele der Dinge die er sich ausdachte – oder prophezeihte – für weite Teile der Menschheit mittlerweile Realität sind. Im Zuge der ‚High 8000‘, einer ‚Auswahl guter Science Fiction‘, hat der Heyne-Verlag 1999
Harry Harrison – New York 1999
noch einmal in überarbeiteter Übersetzung herausgegeben.
Harry Harrisons Szenario, das New York der Zukunft, ist von 40 Millionen Menschen bevölkert. Motorgetriebene Fahrzeuge gibt es nicht mehr, Telefone ebenfalls nicht, Nachrichten werden von Boten auf Tafeln ausgetragen.
Papier ist extreme Mangelware, Wasser knapp und rationiert, Seetang das Haupt-Grundnahrungsmittel. Millionen vegetieren dahin. Schon wegen eines Sonderangebots von Sojasteaks brechen Massenunruhen aus, Großdemonstrationen von Senioren, die sich vom System verraten und verkauft fühlen, sind an der Tagesordnung. Aus den Wasserleitungen kommt – wenn überhaupt – braune Brühe und der Kampf ums Überleben und den nächsten Tangkeks bestimmt das hoffnungslose Dasein. Es regieren Mafia, Korruption und Gleichgültigkeit. In diese Umgebung setzt Harrison eine klassische Kriminalgeschichte, aber was den Roman ausmacht, ist das Setting, in dem die Handlung stattfindet.
Für uns sind die Bilder immer noch grauenerregend, die Harrison mit seiner Geschichte um den einfachen Cop Andy Rush, einen asiatischen Flüchtling namens Billy Chung, eine Edelhure namens Shirl, und den dummerweise ums Leben gekommen Gangsterboß Mike O’Brien zeichnet. In den Slums und Favelas des 21. Jahrhunderts dagegen, und vielleicht ist „New York 1999“ deswegen umso erschreckender, sind tödliche Kämpfe um eine Lagerstelle in Autowracks, der Krieg um Wasserstellen in einer Metropole ohne sanitäre Versorgung, der Schwarzmarkt um hochwertige Nahrung wie Fleisch, die Prostitution ums täglich Brot und die gnadenlose Art und Weise der Behörden, die Ärmsten der Armen qua Gewalt in die letzten Löcher abzuschieben und dabei auf niemanden ausser das Großkapital Rücksicht zu nehmen, Alltag. So tritt dann auch der Handlungsverlauf der Geschichte, deren deprimierender Ausgang sich bald abzeichnet, in den Hintergrund vor der Intensität und Bildhaftigkeit, mit der Harrison eine Welt beschreibt, in der niemand von uns leben möchte und doch Abermillionen schon leben.
Ein beunruhigendes Buch, von dem man sich wünscht, die Mächte, die diesen Planeten beherrschen, hätten es gelesen und verstanden und sich um die wirklich dringenden Probleme der Welt gekümmert…
Der Film ‚Soylent Green‚ (mit Charlton Heston, Edward G. Robinson und Chuck Connors) aus dem Jahr 1973 basiert lose auf ‚New York 1999‚ und trieb einige der Ideen noch weiter auf die Spitze.
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