David Hunt – The Magician’s Tale
David Hunt: The Magician’s Tale
Die Hauptfigur dieses Romans, Kay Farrow, wirkt auf den ersten Blick ganz anders als die typische US-Krimi-Heldin, sie ist weder Privatdetektivin noch Ex-Polizistin, auch keine Anwältin, sondern Fotografin in San Francisco. Und sie ist nicht einfach nur Fotografin, sie ist außerdem farbenblind. Kay leidet an einem seltenen Gendefekt, Achromatopsie, der dazu führt, dass sie die Umgebung nur in schwarz-weiß sieht. Das gibt ihr einen ganz besonderen Blickwinkel auf die Welt von Licht und Schatten, gut und böse, und da sie außerdem photophob ist, scheint die Nacht ihr naturgegebenes Territorium zu sein.
Des Nachts zieht sie mit der Kamera um den Hals los, und fotografiert männliche Prostituierte, um die besondere Szene des käuflichen Sex einzufangen. Eins ihrer liebsten Fotoobjekte ist Tim, der den Straßennamen „Rain“ trägt. Doch eines Abends taucht Tim nicht am vereinbarten Treffpunkt auf, kurz nachdem er sie aufgeregt am Telefon um ein Treffen gebeten hatte, und wenig später finden Cops Teile seiner Leiche in einem Müllcontainer.
Kay dachte, sie hätte eine besondere Beziehung zu Tim, für den sie schwärmte, der für sie ein gottgleiches Abbild männlicher Schönheit darstellte, doch bald findet sie heraus, dass sie eigentlich gar nichts über Timothy Lovesey wusste.
Die erste Entdeckung die sie macht, ist, dass ein Onkel, von dem er bisweilen erzählte, sich als ein alternder New Yorker Magier namens Geoffrey herausstellt, und keineswegs mit Tim verwandt ist. Aber Geoffrey schien ebenfalls eine besondere Beziehung zu Tim zu haben – er kommt nach San Francisco, um der Beisetzung von Tim beizuwohnen – und um Kay eine Geschichte zu erzählen, die den Titel des Buches spendiert: die Geschichte eines Magiers.
Während Kay noch versucht, mit Hilfe der Polizei herauszufinden, wer Tim ermordet haben könnte – der Mord an einer männlichen Hure in San Francisco hat nicht eben hohe Priorität, wie man sich denken kann – findet sie heraus, dass der Mord an Tim Ähnlichkeit mit einem lange zurückliegenden Serienmord hat, an dessen vorgeblicher Aufklärung auch ihr Vater, ein Ex-Polizist, beteiligt war. Daddy gab damals das Polizeidasein auf und betreibt seither eine gut florierende Biobäckerei in SF. Hier schließt sich dann auch der Kreis zum klassischen Krimiheldinnen-Fundus: Kay besitzt dank Daddys Zeiten bei der Polizei einen besonderen Status bei den Hütern des Gesetzes – *gähn*.
Hinzu kommt, dass sie für ein Stadtmagazin als Reporterin gearbeitet hat, dessen Chefreporter ein Pulitzerpreisträger ist, der nur zu gerne mit Kay in alten Fällen stochert und ihr hilft, den Fall um den T-Killer neu aufzurollen. Dabei schrecken sie auch nicht davor zurück, einen Ex-Polizisten, der seit Jahren über den Implikationen dieses Falles im privaten Kämmerlein brütet, aufzuscheuchen.
Unterdessen verdichten sich die Hinweise, dass am Tod von Tim der Ehemann einer reichen Prominenten beteiligt sein könnte, die prompt versucht Kay zu beeinflussen, indem sie ihre Bilder von einer Galerie aufkaufen will. Obwohl sie das Geld gebrauchen könnte, lehnt Kay ab, Und wer ist Amoretto, ein Name, der immer wieder im Zusammenhang mit der Prostituiertenszene und „kinky“ Sex auftaucht, wenn Kay tiefer in Tims Lebensgeschichte wühlt?
Die Handlung, die sich um Sex und Gewalt, Lug und (Selbst-) Betrug und eine Verschwörung bei der Polizei windet, ist aufregend genug, um diesen Roman zu tragen und zu einer spannenden Lektüre zu machen. Das hat er auch bitter nötig.
Zu Beginn scheint Kay noch eine angenehm ungewöhnliche Heldin zu sein, aber leider ist sie das Gegenteil davon. Nicht nur, dass Hunt wieder und wieder auf dem Thema Achromatopsie herumreitet, als ob der Leser es nicht schon beim zweiten oder dritten Mal begriffen hätte – er selbst vergisst das Schwarzweißsehen seiner Protagonistin auch schon mal – auch sonst ist das Buch sehr schwarz und weiß gehalten. Die Lager von Gut und Böse sind deutlich und frühzeitig von einander abgegrenzt; und Kay entwickelt sich alsbald doch zur Klischeeheldin. Wie realistisch ist es, dass eine Fotografin einfach mal eine abgesperrte crime scene betreten und Fotos zum privaten Gebrauch machen darf?
Die Geschichte um Tim, den Magier und die mysteriöse dritte Person klärt sich ebenso bald wie die Identität von Amoretto dem aufmerksamen Leser klar ist, sobald die entsprechende Person das erste Mal erwähnt wird; der Handlungsstrang um den T-Killer und die Verschwörung der Polizisten ist banal und vorhersehbar, und zu allem Überfluss spendiert Hunt seiner Heldin auch noch einen flammenden indischstämmigen Lover wie direkt aus dem Bollywood-Schmachtschinken, der zu gut und perfekt ist. um echt zu sein.
Die vielen Handlungsstränge, die nur zum Teil Bezug zueinander besitzen, machen aus diesem eher mittelmäßigen Krimi keinen guten, allein das fremdartige Flair der street hustler Szene sorgt für Atmosphäre. Angereichert ist der Text noch mit Vignetten zu Kays Ex-Lover, zu ihrem Aikido-Trainer, oder auch der Beziehung zur Freundin ihres Vaters, die aber alle nicht handlungsentscheidend sind und auch die Figur selbst nicht runder erscheinen lassen.
The Magician’s Tale ist ein mittelmäßig geschriebener Thriller, an dem es eine Menge zu verbessern gäbe, der sich aber dennoch flüssig liest und bei nicht allzuviel Anspruch an glaubwürdige Charaktere oder korrekte Topographie der geschilderten Umgebung als gute Unterhaltung durchgeht. Ein Grund, noch einen Roman mit Kay Farrow zu lesen, wäre er jedoch nicht.
Bewertung: