Adrienne Hall – A Journey North
Im Jahr 1997 – also vor rund 20 Jahren – lief Adrienne Hall den Appalachian Trail, und im Jahr 2000 erschien dieses Buch darüber.
Der volle Titel:
A Journey North: One Woman’s Story of Hiking the Appalachian Trail
ist allerdings gleich in zweifacher Hinsicht irreführend.
Zum einen wandert Hall den Trail nicht allein, sondern mit ihrem langjährigen Partner und späteren Ehemann, was eine vollkommen andere Dynamik ergibt. Bei „One Woman“ erwarten viele Leser, mich eingeschlossen, dass hier ein Solo-Hike beschrieben wird, einschließlich der Erfahrungen, die eine Frau allein eben auf so einem an die Grenzen gehenden Trip macht.
Aber auch ein Wanderbericht eines Paares kann durchaus erhellend sein – und da greift die zweite Enttäuschung. Denn das Buch, so interessant es auch in anderer Hinsicht ist, ist nur sehr am Rande eine Wanderbeschreibung.
Adrienne Hall ist Biologin, und zu Beginn der Wanderung über den AT hat sie gerade ihre Universitätsausbildung hinter sich, und bald einen neuen Job an einem anderen Ort, fern von Familie und College, vor sich. Die Natur und die Wilderness Preserves der USA sind ihr großes Thema, das merkt man den vielen erklärenden Textteilen des Buches an. Diese sind für jemanden, der sich mit der Geschichte des Naturschutzes und der Nationalparks in den USA, mit dem Appalachian Trail, der Bedeutung von Nature and Wilderness Preserves, und den Verflechtungen zwischen Naturschutz, Tourismusindustrie und Politik in den Vereinigten Staaten befasst, faszinierend und interessant. So führt sie etwa aus, warum ihrer Meinung nach die Einführung von Gebühren für Public Land und Parks, damals noch in einer „Erprobungsphase“, falsch sei, mit durchaus nachvollziehbaren Argumenten. Ich fand viele ihrer Einsichten erhellend und bedenkenswert, und in den 20 Jahren nachdem Hall sie niederschrieb., haben sich einige der angesprochenen Probleme vermutlich noch deutlich verschärft.
Allerdings ist das nicht das, was ich lesen will, wenn ich einen Wanderbericht über den Appalachian Trail aus dem Regal ziehe. Halls Wanderung bleibt eine blasse Nebenfigur in diesem Buch, sie dient maximal als Aufhänger für Abschweifungen in Essays zur schützenswerten Natur oder Erklärbärkapitel, von aussterbenden Salamanderarten bis zur extremen Luftverschmutzung der Great Smoky Mountains. Nur an wenigen Stellen ist „A Journey North“ wirklich ein persönlicher Bericht der Wanderung, tiefe persönliche Einsichten filtert die Autorin aber weitestgehend aus.
Wer sich mit grundlegenden Fragen von Naturschutz, Tourismus, dem Konzept Wilderness und dem Impact von Menschen auf Naturräume befassen will, der findet hier eine Menge anregenden Stoff zum Nachdenken und Weiterforschen, zumal Hall als Wissenschaftlerin, die sie ist, ihre wissenschaftlichen Ressourcen deutlich nachvollziehbar anführt. Wer ein Buch über eine Langstreckenwanderung sucht, wird dagegen eher enttäuscht sein, und sollte zu einem der anderen Bücher über den Appalachian Trail greifen – zum Beispiel zu Kelly Winters‘ Wanderbeschreibung.
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