T. C. Boyle – A Friend of the Earth
Die Klimakatastrophe hat stattgefunden, die meisten Arten sind ausgestorben. El Niño gehört zum Alltag der USA, das Klima schwankt zwischen monsunartigem Dauerregen, in dem nichts wirklich trocknet, und glühendheißen Trockenzeiten. Der einzige verfügbare Alkohol ist Sake, aus dem überall angebauten Reis, und das tierische Eiweiß kommt von Catfish, der auch schon mal an klammen Hauswänden emporkriecht, kurzum, das Leben im Jahr 2025, wie es Boyle schildert, macht keinen Spaß.
Hauptfigur von
A Friend of the Earth
ist Tyrone „Ty“ O’Shaughnessy Tierwater, geboren 1950. In den 80ern des 20. Jahrhunderts war er noch ein langhaariger Öko-Aktivist, getrieben vom Engagement seiner Freundin Andrea. Doch das Leben meint es nicht gut mit ihm, er wandert als Aktivist in den Knast, und zu Beginn des Romans ist er 75 Jahre alt und desillusioniert. Seine erste Frau und die Tochter aus dieser Ehe sind tot, und er verdient sich seinen Lebensunterhalt – das Rentensystem ist nicht mehr existent – als Tierpfleger für einen superreichen Popstar irgendwo in Kalifornien.
Sein Arbeitgeber träumt davon, ein paar Exemplare aussterbender Spezies am Leben zu erhalten und sie später in Gefangenschaft zu züchten, dabei konzentriert er sich auf Tierarten, an denen nur wenige ein Interesse haben. Seit nunmehr 10 Jahren ist bei dem Popstar angestellt, als Andrea, seine Ex-Frau und die Stiefmutter seiner verbliebenen Tochter Sierra (wie Sierra Club) plötzlich aufkreuzt und bei ihm einzieht, um die Geschichte von Sierra zu schreiben, die 2001 als „tree-hugger“ starb.
Die Geschichte von Sierra ist eingebunden als eigene Erzählung in den Roman.
Durch eine unglückliche Verkettung von Umständen kommt Tierwaters Arbeitgeber ums Leben. Ty ist abrupt ohne Job, denn die Erben des Stars verstoßen ihn mitsamt Andrea, in die er sich erneut verliebt hat. Sie machen sich auf den Weg zu einer Berghütte, in der sie sich vor Jahrzehnten vor der Polizei versteckt haben, und finden dort eine Art Neuanfang, ein Walden, wenn man so will, das die Hoffnung wiedererweckt, die sie 30 Jahre zuvor verloren glaubten.
Das wirklich Seltsame an A Friend of the Earth ist dieses gelinde optimistische Ende, das nicht so recht zum Rest des Romans passen will, denn der ist eine gnadenlose Abrechnung mit dem Heute – selten hat jemand so prägnant, mit solcher Bildgewalt beschrieben, wie das Leben (in Kalifornien) post-Klimakatastrophe aussehen mag, dabei den Finger in die absurden und prekären Zustände der zerbröckelnden Sozialsysteme gelegt, den Jugend- und Schönheitschirurgiekult unter die Lupe genommen, und dennoch eine so fantastische, fesselnde Geschichte geschrieben. Ty als „junger Alter“ und Erzähler der Geschichte, der dabei zwischen seinem jüngeren und dem heutigen Ich hin- und herspringt, zeigt, wie sich ein Mensch verändern kann, aber wie schnell auch Dinge, die wir heute für gegeben hinnehmen, locker in unserer eigenen Lebenszeit ganz andere Wendungen erfahren können.
Dabei ist Ty Tierwater keineswegs ein strahlender Held, eher schon ein ziemlich kaputter Typ, und vielleicht ist es gerade das, was zusammen mit der glasklaren Sprache Boyles den Reiz dieses Romans ausmacht – ein Underdog hält uns den Spiegel von Ereignissen vor, die uns in nicht allzuferner Zukunft genauso auch ereilen könnten, eine kaputte, kranke Welt die einem die Kehle zuschnürt und das hilflos zynische Lachen dabei zu ersticken scheint.
Ist das Sci-Fi? Ist das ein Ökothriller, oder doch eine Fabel? Es ist auf jeden Fall ein verdammt guter, fesselnder Roman, der zu den Highlights meines Lesejahres gehört. Unbedingt lesen.
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