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James Patterson – Die Rache des Kreuzfahrers (Hörbuch)

James Patterson ist ein weltbekannter Thrillerautor, vor allem durch seine Romane um die Figur Alex Cross, einen Polizeipsychologen.

Mit

Die Rache des Kreuzfahrers

versuchte sich Patterson gemeinsam mit einem Co-Autor, Andrew Gross, an einem Abenteuerroman in historischem Setting.

Das Buch

„Die Rache des Kreuzfahrers“ (englisch treffsicherer: The Jester) beginnt mit einer einleitenden Szene, in welcher in der Neuzeit beim Bau eines Supermarktes ein mittelalterliches Grab, genauer eine Krypta gefunden wird. Einer der dort Beerdigten hat einen eigenartigen Gegenstand bei sich – eine Reliquie. Diese Szene wird am Ende des Buches jedoch nicht wieder aufgegriffen und tut für den weiteren Verlauf der Geschichte auch nichts zur Sache.

Stattdessen wechseln wir nahtlos ins Jahr 1096, in das Jahr des Volkskreuzzuges von Pierre de Amiens, und in ein kleines, französisches Dorf, in welchem wir den Helden und Erzähler der Geschichte, Hugo, kennenlernen. Um frei zu sein, beschließt er, sich den Kreuzzüglern anzuschließen, hat doch die Kirche Freiheit versprochen für die, die im Namen des Herrn das Heilige Land von den Ungläubigen befreien.

Und so ziehen wir im kurzen ersten Teil mit Hugo ins Heilige Land, erleben reichlich Morde und Gemetzel und plakativ beschriebene Grausamkeiten (an denen es diesem Buch wahrlich nicht mangelt), ehe wir – sehr bald – wieder vom Kreuzzug zurück sind. Während Hugo von Südfrankreich nach Mazedonien laut Beschreibung zwei Jahre benötigt, schafft er dann den Rückweg aus dem Heiligen Land (mit einer Reliquie im Gepäck) in sechs Monaten.

Daheim findet Hugo seine Frau verschleppt, sein Kind, von dem er nichts wusste, mißbraucht und ermordet, und schwört Rache.

Der Schankwirt aus dem südfranzösischen Marktflecken Veille du Père verwandelt sich in einen Hofnarren, der zunächst seine Frau an den Adelshöfen zu finden trachtet, und dann am Hof des verhassten Lehnsherren nach Rache sinnt, während er die Reichen unterhält und einer Verschwörung auf den Grund geht, der immer mehr Kreuzfahrer zum Opfer fallen. Dass seine Reliquie einer der begehrtesten Gegenstände überhaupt ist, ahnt er zunächst nicht. Dazu kommt noch eine ultrakitschige Liebesgeschichte, die in der Absurdität gipfelt, dass ein König seine Tochter mit einem Gemeinen verheiratet.

Bei der Lektüre fragt man sich unwillkürlich, wer dieses Machwerk verbrochen hat. Wenn es wirklich James Patterson war, dann sollte er dringend seinen Neurologen aufsuchen. Der Stil ist hölzern bis kitschig, woran Kapitel mit 2-5 Seiten einen gewaltigen Anteil haben, die Handlung miserabelster Durchschnitt und extrem vorhersehbar, die angeblich so genau recherchierten Fakten der mittelalterlichen Welt holpern und haken. Detailreich ist der Roman nur bei Blut, Mord, Schandtaten, Gewalt und Sex.

Hugo de Luc ist ein moderner Superheld, der lebensbedrohliche Verwundungen sammelt wie andere Briefmarken, und diese selbstverständlich in Rekordzeit gesundend übersteht. Wäre er ein Kind der Neuzeit, hätte er vermutlich eine eingebaute kugelsichere Weste. Während seine Kumpane sterben wie die Fliegen, überlebt er die aberwitizgsten Sachen ohne Wundbrand, Schwächung… stellte sich das Buch nicht als historischer Roman dar, wäre es eine prima Satire auf das Actiongenre.

Die historischen Fakten sind ebenfalls alles andere als stimmig, es wirkt, als hätte das Autorenteam schnell mal einen Lexikoneintrag zum Thema Mittelalter (maximal zwei Seiten) gelesen und ansonsten auf einen Hollywood-Schmachtschinken hin geschrieben und für die Pseudoauthentizität brav ein paar kleinere Details eingeflochten, die ihnen ein Historiker aufgelistet hat. Die gesamte Handlung zeigt deutlich, dass sie sich weder mit der mittelalterlichen Lebensart noch den sprachlichen und sozialen Gepflogenheiten der Epoche auseinandergesetzt haben, die beschrieben wird. Stattdessen flachsen die einfachen Leute in quasi moderner Sprache, der erzählende Gemeine hat einen Wortschatz, der den der meisten Adligen dieser Ära locker übersteigt, und kann (ich fasse mich an den Kopf) auch noch schreiben…

Ein Mitstreiter auf dem Kreuzzug wird wegen seines breiten Wissens da „Professor“ genannt – ein interessantes Konzept, entsteht doch die erste Universität Europas gerade erst zu dieser Zeit in Bologna, konsistent wird vom Kreuzzug gesprochen (ein Begriff, der erst im 13. Jahrhundert aufkam, vorher war von bewaffneten Pilger- oder Wallfahrten die Rede), da wird „Roastbeef“ aufgetragen, ein (französischer!) Narr witzelt über Steaks in Medium oder Rare – und auch sonst nimmt die Sprache nicht im mindesten Rücksicht darauf, dass hier ein einfacher Mann des ausgehenden 11. Jahrhunderts erzählt.

Zu den Ärgernissen des Romans gehört, dass eine Dichotomie „Gute Gemeine – Böse Adlige“ postuliert wird, alle Adligen sind bei Patterson automatisch reich, geldgierig und böse, alle Bauern / einfachen Leute sind naturgemäß die Guten – die komplexen Beziehungsgeflechte eines mittelalterlichen Lehenssystems gehen an den Autoren vollständig vorbei. So verwundert es dann nicht sonderlich, dass sich Hugo gegen Ende des Romans zusätzlich zu allen anderen Ungereimtheiten zu einer Art Braveheart entwickelt, der auch noch einen Bauernaufstand für die Freiheit anführt. Very American.

Das Hörbuch

Tobias Meister, die deutsche Stimme von z.B. Brad Pitt oder Tim Robbins, trägt das Buch recht spröde vor, über die erste Viertelstunde bedarf es einer bewussten Willensanstrengung, der immergleichen Satzmelodie des sonst so versierten Synchronsprechers zu lauschen. Nach etwa einer halben Stunde des Hörbuches wird sein Vortrag etwas besser (ich habe nachgehört, es war nicht der Gewöhnungseffekt, es ist tatsächlich so), bleibt aber ein gleichförmig dahinmurmelnder Singsang von Belanglosigkeiten, was allerdings daran liegt, dass die Handlung relativ öde und vorhersagbar ist, woran auch das ständige autorenseitige Einstreuen von „Überraschungen“ oder Mord und Totschlag nichts ändern kann. Da die Story nicht wirklich fesselt, war ich einige Male kurz davor, wegzunicken.

Fazit

Ein wirklich schlechter Roman, den eventuell eine knallharte redaktionelle Überarbeitung und Regie mit einem ambitionierten Sprecher zu etwas Hörbarem hätte machen können, in dieser Fassung aber wahlweise ein Ärgernis oder eine Schlaftablette. Zum Abschalten – des CD-Players.

Bewertung: ★☆☆☆☆