Ratgeber

Ulla Mothes – Kreatives Schreiben

„Empfohlen vom Bund Deutscher Schriftsteller“ prangt auf dem Rückeinband dieses Buches, und als eher unbedarfter Leser ist man geneigt, das als Qualitätsmerkmal zu betrachten, doch ist diese Werbeaussage mit Vorsicht zu genießen – der Bund Deutscher Schriftsteller ist nämlich quasi der Hausverein der Frankfurter Verlagsgruppe (und damit des Herausgebers dieses Buches), einer Gruppe von Zuschussverlagen, die gerade kürzlich vor Gericht gegen die Wikipedia verloren haben, die auch weiterhin über deren Geschäftspraktiken berichten darf (das aber, wie ich mich gerade vergewissert habe, leider nicht mehr tut)

Unabhängig davon habe ich mir

Ulla Mothes: Kreatives Schreiben

einmal genau angesehen.

Der Bund Deutscher Schriftsteller lobt das Werk gegenüber anderen über den grünen Klee:

Ulla Mothes führt in ihrem Ratgeber unterhaltsam in Kunst und Handwerk des literarischen Schreibens ein. Vom ersten Einfall bis zur fertigen Geschichte begleitet sie den Leser bei seinem kreativen Schaffensprozess und gibt ihm dabei die von Ihm gewünschte Anleitung, aber gleichzeitig auch die notwendige Freiheit, sich selbst zu verwirklichen. Der vorliegende Ratgeber präsentiert sich sehr anschaulich durch die vielen praktischen Tipps, die anhand eines Beispiels verdeutlicht und in der Praxis verankert werden: so nimmt der Leser teil an der Entstehung einer Kurzgeschichte, die im Verlauf des Ratgebers entwickelt wird. „Wissen kompakt für Autoren: Kreatives Schreiben“ ist eine gelungenen Kombination aus interessanter Lektüre und gekonnter Wissensvermittlung und deshalb empfehlenswert.

Aber kann das Buch halten was hier so vollmundig versprochen wird?

In knappe 300 Seiten Taschenbuch hat Mothes ihren „unterhaltsamen“ Schreibratgeber für angehende Autoren in der Kompaktklasse gepackt.

Die Kapitel heißen:

  1. Der Autor
  2. … und sein Werk
  3. Wie schreibend erzählt wird
  4. Ideenentwicklung
  5. Entwurf
  6. Figuren
  7. Geschehen
  8. Stil
  9. Gattungen
  10. Prosagenres
  11. Überarbeiten
  12. Das Buch ist fertig… was nun?

Das alles könnten sehr interessante Themen sein, und tatsächlich sind die einzelnen Kapitel auch randvoll mit nützlichem Fachwissen gepackt, das angehenden Autoren helfen könnte, wenn, ja wenn sie denn lesbar wären. Aber leider bedient sich Mothes eines dermaßen verquasten Stils, dass die Lektüre zur Qual wird.

Das beginnt schon bei der misslungenen Einleitung aus der Sicht einer Schreibtischlampe und endet nicht bei komplizierten, undurchschaubaren Satzgebilden und Anleitungen, die direkt aus einem deutschen Behördenratgeber mit dem Titel „Die Verfassung deutschsprachiger Texte zum Zwecke der Unterhaltung unter besonderer Berücksichtigung von dramaturgischen Redundanzen“ stammen könnten.

Es kostet mich bewusste Anstrengung, Mothes‘ Texte zu Ende zu lesen, am Stück ist das Buch gänzlich ungenießbar, Platitüden werden in pseudoverwissenschaftlichtem Tonfall zu hochtrabend klingenden Worthülsen – wenn dies das Buch einer Schreibtrainerin ist, dann möchte ich nicht wissen, was sie ihre Schüler lehrt. Beispielhaft ein Textauszug:

Romane spielen in bestimmten Räumen und Zeiten. Entsprechend stehen ihre Figuren innerhalb bestimmter gesellschaftlicher Normen bzw. Normbrüche. Selbst wenn ein Roman allgemein Menschliches behandelt, das zeitlos ist, in seiner konkreten Geschehensausbildung ist es zeit- bzw. gesellschaftsgebunden.

In diesem Stil ist das gesamte Buch geschrieben. Parallel zu den (sachlich zutreffenden, aber grauenvoll uninspiriert geschriebenenen) Anleitungen ein Schriftsteller zu werden, verwendet Mothes ein Textbeispiel, um eine sexuell missbrauchte junge Frau, das sich im Lauf des Ratgebers zu einer Kurzgeschichte wandelt und mausert. Das Beispiel ist in keiner Hinsicht ansprechend, ebensowenig das Ergebnis.

Ulla Mothes schreibt Kinderbücher, jedenfalls laut Selbstdarstellung, aktuell finde ich von ihr bei Amazon allerdings nur noch dieses Werk, ein Buch über Dramaturgie für Spielfilm, Hörspiel und Feature sowie einen trendigen Jugendroman mit dem Titel SMS-Bücher: Die Falle der Zeichnerin.

Wenig veröffentlicht zu haben ist kein Hinderungsgrund, einen wirklich guten Schreibratgeber zu schreiben, wie das auch James N. Frey mit Wie man einen verdammt guten Roman schreibt bewiesen hat, aber was Mothes hier abliefert, ist nicht viel besser als das Transkript einer hochlangweiligen theoretischen Vorlesung, das sprachlich an keiner Stelle zu überzeugen weiß.

Kreatives Schreiben von Ulla Mothes kann man getrost im Regal der Buchhandlung stehen lassen – absolute Zeitvergeudung.

 

Bewertung: ★☆☆☆☆