Richard Morgan – Broken Angels
Band 2 der Takeshi Kovacs Reihe
Richard Morgan – Broken Angels
Takeshi Kovacs is back – 30 Jahre sind seit den Ereignissen aus Altered Carbon vergangen, doch Kovacs ist „jung“ und knackig wie gehabt – dank Re-Sleeving. Im neuen Körper hat er allerdings wenig Vergnügen, er landet mitten in einem hässlichen Krieg auf der Welt Sanction IV, wo sich die „Guten“ aka die Regierungseinheiten unter dem Namen Carrera’s Wedge und die „bösen Aufständischen“ aka die Anhänger von Joshua Kemp (Kempists) befehden, und dabei auch vor massiven Kollateralschäden nicht Halt machen.
Wie schon der Erstling von Morgan führt auch Broken Angels in eine dystopische, düstere Zukunft, die von ultrareichen Konzernen und korrupten Politikern beherrscht wird – wie in allen wahren Cyberpunk-Universen. Und nur durch den Kunstgriff, dass Identitäten und damit Personen in „stacks“, digitalen Speichern, gesichert werden können, ermöglicht es Morgan seinem Antihelden, sich auf eine wahrhaft tödliche Mission zu begeben.
Während Kovacs noch im Krankenhaus auf seine vollständige Wiederherstellung von der letzten Attacke wartet, um erneut ins Kriegsgeschehen einzugreifen und sich seinen Sold zu verdienen, macht jemand ihm ein Angebot – auf Sanction IV soll ein ganz besonderes marsianisches Artefakt aufgetaucht sein. Die Marsbewohner haben das Universum lange vor der Menschheit erkundet, und sind mit Methoden durch Raum und Zeit gereist, die immer noch im Dunkel des Alls verborgen liegen. Das fragliche Artefakt könnte ein marsianisches Raumschiff sein, behauptet sein Kontakt. Das Problem: es befindet sich an einem nur sehr schwer erreichbaren Ort, und jemand muss es sichern, damit die Entdecker darauf juristisch gültigen Anspruch erheben können. Für diesen Job kommen den Initiatoren die Fähigkeiten eines ehemaligen Envoy, eines der besten Infiltrationsspezialisten der bekannten Galaxis, gerade Recht. Sie locken Kovacs mit einer obszön hohen Summe Geld – und Takeshi lässt sich auf das Spiel ein und tut das gleiche wie seine Gegner – mit gezinkten Karten spielen. Nur besser.
Mit dem Geld des Konzerns stellt Kovacs einen Einsatztrupp zusammen, der ihn und die Archäologin, die das Artefakt entdeckt hat, ans Ziel begleiten soll. Doch was sie entdecken, ist sehr viel fremdartiger als alles was sie sich vorstellen konnten – und mehr als eine Partei mischt bei dem Spiel um die mögliche Macht im Universum mit. Ein Wettlauf mit der Zeit und dem Gegner beginnt, denn im Zielgebiet gibt es radioaktiven Fallout, und das Team verreckt nach und nach qualvoll an Strahlenkrankheit.
Obwohl Morgan den Roman im gleichen Universum und mit dem gleichen Hintergrund ansiedelt wie Altered Carbon, ist Broken Angels ein völlig andersartiges Stück SciFi geworden. Das liegt zum einen daran, dass Morgan die Desillusionierung von Kovacs (und dem Leser) hinsichtlich der Schmutzigkeit von Geld, Konzernen, Politik, Krieg mit einer Intensität vorantreibt, dass einem schwindlig werden kann, zum anderen aber – und vor allem – an seinem Entwurf einer wahrhaft fremdartigen Kultur von ehemaligen Marsbewohnern, deren Artefakte die Menschheit in Staunen versetzen und die dem menschlichen Geist unendlich fern sind. Das ist Science Fiction at its best, gepaart mit einem zutiefst amoralischen und gerade deswegen berückend moralischen Helden, der zugunsten des ihm innewohnenden Sinns für Gerechtigkeit das Recht mit Füssen tritt, und gegen seine Konditionierung für eine ganz eigene Form von Mitgefühl und Humanität kämpft. Angereichert ist das Ganze wie auch schon im 1. Band mit viel knallharter Gewalt, abenteuerlichem Sex und Lug, Trug und Doppelbödigkeit an allen Ecken und Enden – und macht einen Riesenspaß.
Hard-boiled Science Fiction hat einen Namen: Richard Morgan. Mehr!
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