Nick Reding – Methland (Hörbuch)
Das Buch
Zwischen 2005 und 2007 begibt sich Nick Reding auf eine Reise in einen vergessenen Teil Nordamerikas – den mittleren Westen, in diesem Fall Iowa. Er erkundet den dort grassierenden Drogenmissbrauch, oder genauer gesagt: er erkundet die Methaphetamin-Kultur der weißen Arbeiterklasse Amerikas. Er trifft Menschen, die Meth produziert und konsumiert haben, die mit Meth ihren Lebensunterhalt bestritten haben, ihre Körper zu horrorfilmtauglichen Ruinen zerstört haben. Er findet Menschen, deren Kinder Opfer ihres Drogenkonsums wurden, spricht mit ihnen, erforscht die Hintergründe und ihre Lebenswelt, steigt in die tiefen Gräben, die sich durch Familien ziehen, und zeigt auch, welche Kraft viele dieser Menschen aufbringen, um dennoch ein irgendwie gutes, menschenwürdiges Dasein zu leben. Reding macht sich auf die Suche nach den Gründen für den Anstieg des Konsums harter Drogen und insbesondere von Meth im Mittleren Westen.
Methland: The Death and Life of an American Small Town
Schon bald wird klar: die Meth-„Epidemie“ im armen „Landeier-Amerika“ ist ebenso systemimmanent wie von vielen politischen Gruppen als kleineres Übel hingenommen, wenn nicht sogar gewollt. Dass von Meth seltener die Rede ist als von Heroin oder Crack, liegt darin begründet, dass die Konsumenten, Produzenten, Dealer sehr oft die weiße Arbeiterklasse sind – und viele sind überhaupt erst bei Meth gelandet, weil ihre harte, körperliche Arbeit immer weniger Geld einbringt, die Konzerne ihnen immer mehr Rechte beschneiden, immer mehr Sozialleistungen wegnehmen, alles für den schnellen, harten, amerikanischen Dollar.
Reding sucht das Gespräch mit direkt und indirekt Betroffenen, mit den Vertretern des Gesetzes, die die Folgen ebenso ausbaden wie ganze Landstriche, die von Armut und Drogenabhängigkeit gebeutelt sind, mit Leuten, die versuchen, von gesetzgeberischer Seite (etwa dem Verbot bestimmter Grundstoffe von Meth in der Pharmazie) dem Aufstieg der furchtbaren Droge Einhalt zu gebieten. Gleichzeitig erzählt er die Geschichte von Lori Arnold (die Schwester des Schauspielers Tom Arnold), die zur hoch erfolgreichen Drogenbaronin der Region heranwächst. Die ist für sich genommen schon fast ein eigenes Buch wert. [2021 hat sie ja dann eine eigene Doku-Serie bekommen: Queen of Meth].
In less than five years after I tried my first line of meth, I had sold enough of the drug to buy a bar, a range of sports cars, several planes, a 170-acre horse ranch, 14 houses, a car lot, and I owned $73,000 in jewellery alone. —- (Quelle: Daily Mail)
Man fragt sich, wieso so etwas nicht auffällt…
Vor dem Auge des Lesers entwickelt sich eine düstere, erschreckende Horrorlandschaft, die doch quasi gleich nebenan in den Vereinigten Staaten zu finden ist, und oft schüttele ich fassungslos den Kopf, weil es schwer vorstellbar ist, dass das alles nicht reine Fiktion sein soll. Und noch mehr schüttelt man den Kopf, wenn man dann mit Reding feststellt, das die pharmazeutische Industrie mit ihren Lobbyisten alle Versuche, der Meth-Epidemie Einhalt zu gebieten, aus nacktem Profitinteresse in Washington systematisch torpediert hat.
Im zweiten Teil des Buches kehrt Reding nach einer Pause an die Orte der ersten Unterhaltungen zurück, führt weitere Gespräche mit Betroffenen. Leider folgen hier thematisch dann auch viele Wiederholungen, und das Buch wird langatmiger und weniger interessant.
Methland ist ein Gruselroman aus den düsteren Unterwelten eines verlassenen Planeten, in dem der Horror regiert – nur dass es kein Roman ist, sondern Realität, die das Leben vieler Menschen für immer verändert hat. Ich kann nach der Lektüre kaum durch kleine, nahezu tote Orte der USA fahren, ohne mich zu fragen, wie viele Meth-Opfer es hier wohl geben mag. Kein schönes, kein angenehmes Buch, aber eines, das sehr schmerzhaft die Augen öffnet. Drogen sind überall. Auch und gerade in smalltown America.
Das Hörbuch
Mark Boyett trägt Redings Buch in dieser Audible-Produktion sehr souverän und eindringlich vor. Ich habe das Buch auf langen Autofahrten gehört, musste aber zwischendrin immer mal wieder pausieren, weil mir buchstäblich übel war vom Gehörten. Wie auch das Buch hat das Hörbuch im zweiten Teil bzw. im hinteren Drittel einige Längen, hier hätte Audible gern etwas straffen dürfen. Dennoch ein sehr gutes, ziemlich erschreckendes Werk, das man besser nicht zum Einschlafen hören sollte.
Bewertung: