Lynne Heitman – The Pandora Key
Lynne Heitman – The Pandora Key
Der Schlüssel der Pandora – so ein Titel macht neugierig. Ich weiß nicht mehr, wie The Pandora Key auf meinen Lesestapel kam, aber von der ersten Seite faszinierte mich der Roman.
Alles beginnt damit, dass Privat Eye Alex Shanahan, Ich-Erzähler des Buches — nein, halt. Alles beginnt mit einem seltsam zusammenhanglos erzählt erscheinenden Ereignis, einer Person, Mann oder Frau, die gezwungen ist, gegen ihren Willen an Bord eines Flugzeuges jemanden zu erschießen, während Terroristen das Flugzeug besetzt haben. – Bis heute ist mir nicht klar, ob sich diese Szene auf die Handlung im Buch bezieht (was durchaus denkbar ist und passen könnte), oder aber ein Hinweis auf die (Vor-) Geschichte der Hauptfigur ist, denn wie ich später feststellte, handelt es sich hier um den 4. Band einer Serie.
Wie überhaupt manche Dinge sich quälend langsam für mich als Neueinsteiger in die Welt von Alex Shanahan erschlossen – ich brauchte fast 1/3 des Buches, um herauszubekommen, dass der toughe Privatdetektiv, der sich in Hosen, Windjacke, Halbschuhe kleidet, eine Frau ist. Das mag offensichtlich sein, wenn man die anderen Romane kennt, aber ausgerechnet Shanahan, die Ich-Erzählerin, bleibt ein Rätsel.
Ein Rätsel, oder vielmehr eine Verkettung von Rätseln, ist auch der Fall, mit welchem sie es zu tun bekommt. Aus heiterem Himmel taucht Rachel Ruffiero, die Ex-Ehefrau ihres Geschäftspartners (und Pfleglings) Harvey Baltimore auf, und schickt Alex auf einen fragwürdigen Auftrag, während sich Rachel mit augenscheinlich unlauteren Absichten an Harvey wieder heranmacht. Und als Alex von ihrem sinnlosen Ausflug zurück kehrt, der ihr nichts anderes verraten hat als dass Rachel eine manipulative Lügnerin erster Güte ist (was sie vorher schon wusste), findet sie das Haus leer, jedenfalls zunächst. Harvey, der kaum aus seinem Rollstuhl aufstehen konnte, ist verschwunden, ebenso Rachel.
Stattdessen stehen plötzlich zwei bewaffnete FBI-Agenten vor ihr und erzählen ihr eine Geschichte über verschwundenes Geld, Betrüge in Millionenhöhe bei Rachels ehemaligem Arbeitgeber, und wollen wissen, wie Harvey in die Sachen verstrickt ist – während alles was Alex will, ist, Harvey zu finden und aus der Bredouille zu retten, in welcher er ihrer Meinung nach steckt.
Ganz unrecht hat sie damit nicht; mit der Hilfe von Freunden findet und befreit sie Harvey aus der Gewalt von Entführern, die sich als Außenstelle der ukrainischen Mafia entpuppen…
The Pandora Key ist ein klassischer Thriller, mit verborgenen Wahrheiten und Motiven und Bösewichtern von der bösen und von der ganz bösen Sorte – hier tummeln sich nicht nur sehr fragwürdige Geschäftsgenossen, Finanzhaie und islamistische Terroristen, sondern auch noch FBI, CIA, eine private Militär-Beratungsfirma mit ebenso geheimer und privater Armee, und die russische und ukrainische Mafia samt aller ihrer Hinterleute und Handlanger.
Was zu Beginn wie eine simple Betrugsgeschichte um eine gierige Ex-Ehefrau aussieht, entpuppt sich als ein verschlungenes Gewirr von Lügen, Halbwahrheiten und Zufällen, garniert mit aufrechten Helden, schmierigen Journalisten und dem notwendigen Quäntchen Systemkritik, um so etwas wie „Anspruch“ postulieren zu können. Der Roman liest sich – bis auf ein paar Längen (ausgerechnet in Actionszenen) – flott, und ist routiniert geschrieben, macht sogar Spaß, hat aber einige massive Schwächen.
Das beginnt schon bei der Ausgestaltung der Figuren und Handlungsorte – keinen der Charaktere kann man sich bildhaft vorstellen, dazu gibt die Autorin nämlich so gut wie keine Hinweise; die Heldin des Ganzen ersteht auch nicht als Persönlichkeit vor dem Leser – eine Charakterentwicklung oder tiefer gehende Beschreibungen der Haupthandlungsträger fehlen.
Das wäre nicht so fatal, würde Heitman nicht Powergaming betreiben. Es reicht nicht, dass Rachel in Betrug im großen Maßstab und Mord verwickelt ist und die russische Mafia am Hals hat, es genügt nicht, dass ein Teil der Hinweise auf den Fall aus einer Jahre zurückliegenden Flugzeugentführung stammen – alles muss gleich zwei Nummern größer sein: die Mafiya-Schergen sind die bösesten, brutalsten und gemeinsten der Welt; es geht um 1 Milliarde Dollar, und es muss auch noch eine globale Verschwörung und die weltweit erfolgreichste und böseste und best bewaffnetste schwarze Armee dahinter stecken, die natürlich nicht davor zurückscheut, jeden umzubringen, der ihre Geheimnisse kennt. Das ist alles zwei Schichten zu viel und zu dick aufgetragen, als sollten die Superlative über sichtbare Plotlücken hinwegtäuschen.
Ein weiteres Ärgernis ist, dass Shanahan ihre Informationen eigentlich nur aus zweiter Hand hat, und fast alle relevanten Details für die Handlung von Dritten (rückwirkend) erzählt und berichtet werden; wie eine Marionette lässt sich Shanahan an den Fäden der anderen / der Autorin zerren. Zum Ende des Romans kommen dann fast alle Parteien (vorhersehbar) zu einem fulminant langatmigen und unglaubwürdigen Finale zusammen.
Trotz aller offenkundigen Schwächen war The Pandora Key für einige Stunden Thriller-Unterhaltung gut; da Alex Shanahan aber auf mich keinen bleibenden Eindruck hinterlassen hat, wird es wohl der letzte Roman dieser Autorin sein, den ich lese.
Bewertung: