Lee Child – Killing Floor
Der erste Roman der Jack-Reacher-Reihe
Lee Child kam vergleichsweise spät zum Schreiben – nach einer Karriere in der britischen TV-Industrie beschloss er gezielt, mit einem Serienhelden in das Leben als Autor einzusteigen.
Jack Reacher, die Hauptfigur der Serie, die in diesem Roman erstmals in Aktion zu erleben ist, ist ein ehemaliger Militärpolizist, der nach seinem (ehrenhaften) Ausscheiden aus dem Militärdienst allein die USA durchstreift, ein Lone Ranger auf der Suche nach sich selbst und dem wahren Leben irgendwo da draußen.
Lee Child – Killing Floor
In einem kleinen gottverlassenen Nest namens Margrave irgendwo in den Südstaaten wird er am frühen Morgen, kaum dass er im einzigen Diner sein Frühstück verspeist hat und von den paar Einheimischen kritisch beäugt wurde, festgenommen. Entlang der Straße, auf der er an diesem verregneten Morgen gelaufen ist, ist ein Mord geschehen – und er, der einzige Fremde, den der Ort seit Ewigkeiten gesehen hat, war zur Tatzeit in der Nähe des Tatortes, hat kein Alibi, und ist schon verdächtig, weil er ein Außenseiter ist…
Wenig später findet er sich, nach ein paar sehr seltsamen Szenen in der örtlichen Polizeistation, die ahnen lassen, dass hier etwas ganz und gar falsch läuft, im Kreisgefängnis wieder, gemeinsam mit Paul Hubble, einem bis dahin unbescholtenen Bürger des Ortes Margrave, Georgia, dessen Mobiltelefonnummer unerwartet in den Schuhen des Mordopfers auftauchte, und der sich immer mehr in seltsame Erklärungen und Widersprüche verzettelt, als ihn die Polizei befragt.
Während Hubble keine Ahnung hat, was ihn erwartet, kennt Reacher die Hackordnung von Gefängnissen und weiß, dass Hubble und er – die „versehentlich“ auf dem Stockwerk für Mörder untergebracht wurden, dem Killing Floor, statt in der U-Haft – das Wochenende nicht überleben werden, wenn er nicht sie beide schützt.
Die Attacke der Knast-Gang lässt nicht lange auf sich warten – doch die Insassen haben nicht mit einem zähen Einzelkämpfer gerechnet, der ebenso viele miese Tricks kennt wie sie selbst. Reacher schickt seine Gegner wirkungsvoll und eindrucksvoll bei einem Nahkampf in den Duschen zu Boden, erklärt allen, dass Hubble unter seinem persönlichen Schutz stehe, und bleibt bis zum Ende dieses mörderischen Wochenendes im Knast unbehelligt.
Eins ist ihm jedoch klar: jemand wollte ihn aus dem Weg räumen – die Vorkommnisse im Gefängnis sind kein Zufall. Nur warum?
Gemeinsam mit dem lokalen Polizeichef, dem schwarzen Harvard-Absolventen Finlay, und einer Polizistin names Roscoe, die Reachers Charme erlegen ist, beginnt er den Fall zu untersuchen, um sich von allen Verdächtigungen reinzuwaschen. Dabei muss Reacher mit äußerster Vorsicht vorgehen, denn es sind Angehörige der Polizei in den Mord verwickelt. Und dann entdeckt er etwas, das den Fall in einem vollkommen anderen Licht erscheinen lässt: das Opfer ist niemand anders als sein Bruder Joe, mit dem er seit Jahren nicht mehr gesprochen hat. Aber wer hätte ein Interesse daran, einen Beamten des Finanzministeriums zu ermorden, noch dazu hier, in Margrave, fern seines Wohn- und Arbeitsortes? Was hatte Joe Reacher ausgerechnet hierher geführt?
Lee Child legt mit Killing Floor einen furiosen Actionthriller vor, mit einem Helden, der selbst die Grenzen des Rechtes definiert anhand dessen, was er als Gut und Böse erkennt. Jack Reacher ist ein knallharter Superheld, der jedem Actionfilm gut zu Gesicht stünde – schweigsam, cool, überlegt, sexy, austrainiert, stark, überlegen, seinem Gegner fast immer zwei Schritte voraus – und vielleicht deswegen auch so unheimlich.
Es macht Spaß, Reachers Abenteuer und seine Sichtweise auf eine kranke, dysfunktionale Welt zu verfolgen, aber gleichzeitig ist Jack Reacher auch ein Stück weit unglaubwürdig in seiner Überlegenheit. Das gipfelt darin, dass er quasi ungestraft reihenweise seine Gegner abschlachtet und dafür keine Konsequenzen zu fürchten braucht, denn das waren ja die Bösen, also ist er aus dem Schneider… eine sehr amerikanische Sicht der Dinge, die aber Gesetze und Bürgerrechte mit Füßen tritt, und ab einem bestimmten Pegel vergossenen Blutes absurd und unglaubwürdig wirkt.
Die Story, die Child um den Mord an Reachers Bruder gewunden hat, ist elaboriert und ein Kriminalstück par excellence. Was man hier über das Geldsystem der Vereinigten Staaten von Amerika, die Funktion des Dollars in der Weltwirtschaft und Geldfälschung lernen kann, verschlägt einem schnell den Atem, ist aber brillant geschrieben und durchdacht – eine der großen Stärken des Romans. Großartig ist auch die eingeflochtene Geschichte um einen schwarzen Bluesgitarristen namens Blind Bake, auf dessen Spuren Jack wandelt, sowie einige sehr liebevoll ausgestaltete Nebencharaktere.
Reacher ist ein faszinierender, aber ein wenig zu perfekter und ein wenig zu amoralischer Actionheld, der in diesem fulminanten Roman dem Leser kaum Zeit lässt Atem zu holen und nachzudenken, während er die Bösen reihenweise ausschaltet und Licht in ein obskures Dunkel von Mord, Betrug, Korruption und organisiertem Verbrechen bringt. Exzellente, nervenaufreibende Unterhaltung, mit für meinen Geschmack ein wenig zuviel plakativer Gewalt und ein paar kleinen Fehlern in den Details, die man Child aber in Anbetracht der Tatsache, dass es ein Erstlingswerk ist, nachsehen mag.
Bewertung:
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