Daniel Goeudevert – Wie ein Vogel im Aquarium
Daniel Goeudevert dürfte einer der bekanntesten Manager Deutschlands sein, vor allem durch seine Tätigkeit bei Volkswagen. In
Daniel Goeudevert – Wie ein Vogel im Aquarium. Aus dem Leben eines Managers
lässt er die Leser ein Stück weit teilhaben an seinem Werdegang durch die Höhen und Tiefen der Autoindustrie.
Als „Querdenker“ wurde er gefeiert, als einer, der sich den Blick für das Menschliche bewahrt hat, und als Paradiesvogel, und als solcher stellt er sich selbst auch gern dar.
Das Buch beginnt damit, dass Klein-Daniel mit seinem teutonischen Äußeren und seinem Körper in Frankreich aneckte und von den Mitschülern abgelehnt wurde. Als Laberbacke und Außenseiter war der junge Mann, der sich vor dem Militärdienst mit einer Schummelei drückte, für die Managerrolle offenbar prädestiniert, auch wenn er selbst das nie so gesehen hat und immer nur mit dem Fluß dessen ging, das ihm angeboten wurde. Und tatsächlich kann man etwas Wichtiges lernen bei der Lektüre dieses Buches: dass man(n) von den richtigen Leuten gefördert werden muss, will man es zu etwas bringen.
Warum das Buch sich in Deutschland zu einem Bestseller entwickelte? Erklären kann ich mir das nur durch die starke mediale Präsenz von Goeudevert (die er im Buch bestreitet). Ja, er hat ein paar klarsichtige Momente, ja, Goeudevert spricht ein paar Dinge aus, die man so manchem Manager (und Politiker) gern einmal mit lautem Knallen um die Ohren hauen möchte; etwa wenn er schreibt, dass es in seiner Generation das Problem der Arbeitslosigkeit noch nicht gab:
Was immer man auch gelernt hatte, irgendwo kam man bestimmt unter, und gefiel einem die Tätigkeit nicht, brauchte man bloß über die Straße zu gehen, und schon hatte man einen anderen Job. (…) Deshalb sind die Vertreter meiner Generation auch nur bedingt kompetent, wenn es um das Problem der Arbeitslosigkeit geht. Wir verstehen diese Problematik nur oberflächlich, weil wir sie nie am eigenen Leib erfahren haben.
Goeudevert ist nicht ohne Grund ein Spitzenmanager gewesen – er hat sich im Gegensatz zu vielen Kollegen dafür interessiert, was seine Kunden und seine Mitarbeiter tun und wollen, statt feudal top-down zu regieren, und das macht ihn zu einer besonderen Erscheinung in der Managerwelt von heute. Das Buch beginnt mit seinen Kinderjahren und endet knapp nach der Ära VW, dazwischen führt er vor allem die Stationen seiner Karriere und die wichtigsten Förderer auf, gewürzt mit ein wenig Ausgewähltem aus dem Privatleben, wie der Liebesgeschichte mit seiner (deutschen) Jugendliebe, die er eine Ehe und drei Kinder später wiedertrifft und sich erneut verliebt.
Gleichzeitig werden persönliche Dinge aber auch sehr managerlike ausgeblendet – die treusorgende Ehefrau, die drei Kinder geboren und großgezogen und ihnen „an wechselnden Wohnorten ein Heim gegeben“ hat, erscheint eher als Aktivposten in der Karrierebilanz denn als Person, die ihm etwas bedeutet. Goeuedvert gibt unumwunden zu dass der Job stets vorging. Hier ist er der klassische große Mann, dem eine Frau den Rücken freihält (und die dann, große Liebe hin oder her, gehen darf, wenn Monsieur beschließt, sich in der Mitte des Lebens neu zu erfinden).
Summa summarum ist „Wie ein Vogel im Aquarium“ eine ganz normale Karriere des 20. Jahrhunderts mit einer Hauptfigur, die einige spannende Impulse für die europäische Industrielandschaft gegeben und interessante Akzente gesetzt hat. Leider wird das Buch der Person jedoch nicht gerecht, was auch daran liegen mag, dass Goeudevert es selbst geschrieben hat. Die Sprache ist einfach gehalten – daran ist nichts verkehrt für einen Mann, der französischer Muttersprachler ist, jedoch plätschert die Erzählung relativ langweilig und in Wiederholungen ähnlicher Szenarien mäandernd dahin. Ein professioneller Ghostwriter und Biograf hätte der Lebensgeschichte von Daniel Goeudevert sicherlich mehr Flair und mehr interessante und dramatische Details entlocken können, als das dem Manager selbst gelingt.
Unwillkürlich wünsche ich mir einen Exzerpt mit der Handvoll wichtiger Zitate aus diesem Buch, in denen Goeudevert die „irreale Welt des Scheins“, der nach seinen Worten den Manager umgibt, verlässt, und zumindest ansatzweise zum Nachdenken anregt. Diese Stellen sind aber so rar, dass sie das ansonsten eher belanglose Buch nicht retten können. Enttäuschend.
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