Chris Heath – Robbie Williams – Feel
Ob man Chris Heath’s Werk
Robbie Williams – Feel
wirklich als Biographie im klassischen Sinne verstehen kann, ist sicher diskutabel. Über einen Zeitraum von mehreren Monaten, die sich zu beinahe zwei Jahren auswachsen, hat Reporter Chris Heath – zunächst nur für einen Magazinartikel recherchierend – Robbie Williams durch dessen Leben begleitet, sozusagen als embedded paparazzo.
Dabei ist ein durchaus interessantes Portrait entstanden, das den britischen Popstar von schrillen wie von ungewohnt ruhigen und nachdenklichen Seiten zeigt.
Robbie Williams, stellt man in diesem Buch fest, ist – nicht besonders überraschend – nicht (nur) der bad boy, wie ihn besonders die britische Boulevardpresse gern darstellt. Klar, er hat Drogenexzesse hinter sich, hat sich in jungen Jahren mit Ecstasy Teile seiner Gehirnchemie gegrillt, ist depressiv, offensichtlich hyperaktiv, mittlerweile trockener Alki, und alles in allem eine seltsame Mischung aus einem besessenen Perfektionisten und einem großen schlecht erzogenen Kind – aber erklärt das die Person Robbie Williams?
Heath lässt den Leser Teil haben an einem Alltag, der weniger glamourös ist als man sich das vielleicht vorstellt – Millionär zu sein, aber nicht mal in Ruhe einen Kaffee trinken zu können; auf beständiger Flucht vor der Yellow Press und Fans, die glauben irgendwelche Rechte am Leben ihres Idols zu haben, nur weil sie seine Platten kaufen. Überrascht stellt Heath fest, dass in der Presse dreist Dinge über RW verbreitet werden, die nicht stimmen, was er beurteilen kann, schlicht weil er zu den fraglichen Zeitpunkten dabei war und bestätigen, kann dass nichts von den kolportierten Exzessen jemals stattfand. Aber auch Kurioses hat er aufzubieten – von RW, der die Hälfte von Escapology nackt in der Sängerkabine einsingt, oder wegen seiner empfindlichen Blase und seiner Tendenz klammheimlich von Parties zu verschwinden stets von einem Tross Bodyguards und eben auch Heath zur Toilette eskortiert wird, bis zur Tatsache, dass Williams seine Entertainer-Persona als getrennten Teil seines Selbst sieht.
Da steht nicht Robbie Williams, der Mensch, auf der Bühne, sondern eine Kunstfigur, der Entertainer Williams. „Let Me Entertain You“ wird hier zum Credo – und wer das Knebworth-Konzert gesehen hat, mag kaum glauben. dass Williams nicht wirklich gern auf die Bühne geht, das Gefühl hat ein Betrüger zu sein, immer noch viel zu viel von sich preiszugeben, dass ein Konzert für ihn vor allem eins ist: Stress, hoch organisierter, anstrengender, heftiger Stress, der ihn auf Wochen auslaugen wird.
Ich bin kein „Fan“ im klassischen Sinne, wenn es um Robbie Williams geht – ich mag vieles seiner Musik, ich mag vor allem seine großartige Stimme – und den Perfektionismus, den man jedem optimal sitzenden Ton seines Gesangs anhört. Ich mag Frank Sinatra, und vermutlich ist es gerade der besessene Entertainer Williams, der mir imponiert (neben einem gewissen nicht abzusprechenden Sex-Appeal).
Feel: Robbie Williams ist allerdings keine klassische Biographie, es ist mehr eine zum Text mutierte Video-Reportage, wie sie zusammengeschnitten auch auf einer DVD (oder einem Musik- oder Dokusender) erscheinen könnte – neben blitzlichthaft ausgeleuchteten Szenen des Protagonisten in Action kommen kleine Featurettes dazu. So versteht man nach der Lektüre denke ich besser, was zwischen Robbie Williams und Guy Chambers vorgefallen ist, oder kann sich die spezielle wechselhafte Beziehung zwischen RW und Take That zusammenreimen. Aber ein konsistentes Bild, einen Lebensabriss des Sängers und vor allem Musikers Robbie Williams, sucht man vergebens – man muss sich die einzelnen Schnipsel schon zusammensuchen.
Tatsächlich erinnert mich Feel: Robbie Williams stark an die zweite Staffel von Californication, in der Hank Moody on/off das abgedrehte Leben von Popstar Hal Ashby mitlebt, um über ihn zu schreiben.
In dieser eher nichtlinearen Erzählstruktur liegt auch der große Vorzug von Heaths Biographie – gerade weil er nicht versucht, das endgültige Buch über Robert Peter Williams aus Stoke-on-Trent zu schreiben, ermöglicht er einen relativ unverfälschten Blick auf das Leben eines Popstars, aus dem Blickwinkel hinter den Kulissen, und dieser Blickwinkel macht die nur wenig strukturierte Zusammenstellung faszinierend.
Die Person allerdings, die er beschreibt, ist – außer für Fans – wohl eher mäßig interessant – es gibt spannenderes als furzende, sich einsam fühlende, notorisch kaffeetrinkende Millionäre mit Depressionen, die in Kalifornien in gated residences ohne Führerschein Luxusautos fahren und in panischer Paranoia vor der britischen Yellow Press gefangen sind.
Mir hat diese Nicht-Biografie gefallen, weil sie mich einen anderen RW erleben lässt als den, den die Hochglanzfotos und Musikvideos zeigen – einen Künstler, der von Dämonen getrieben wird, die vielen Künstlern, egal ob Musiker, Maler oder Autoren, ständige altbekannte Begleiter sind. Für Fans ist Feel: Robbie Williams ohnehin unverzichtbar.
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