Charles Clover – Fisch kaputt
Mehrere Jahre hat der renommierte britische Wissenschaftsjournalist Clover sich auf die Reise begeben, um den Zustand der Weltmeere zu erkunden, sich mit Fischern und Umweltschützern zu unterhalten und herauszufinden, wie es um die Fischbestände der Weltmeere bestellt ist. Das Ergebnis ist, salopp gesagt, eine globale Katastrophe. Der Mensch hat im 20. Jahrhundert die Fischbestände auf etwa 1/4 ihres ursprünglichen Ausmaßes reduziert. Mit Fangmethoden, die das Ökosystem Meer dauerhaft schädigen, wurde binnen weniger Jahrzehnte 90 % der gängigen Speisefische der Garaus gemacht – und Fisch liegt weiter im Trend, Fisch ist gesund, lecker, hip und die Umsatzzahlen steigen.
Doch wo soll all der Fisch in Zukunft herkommen, wenn die Ozeane leergefischt sind und keine Aussicht auf Besserung besteht? Was müssen wir tun, was müssen wir ändern, damit auch die Generation nach uns noch eine Chance hat, Seefisch zu essen? Wer trägt die Schuld an der Katastrophe? Und was kann der Verbraucher tun?
Charles Clover: Fisch kaputt
Auf all diese Fragen sucht – und findet – Clover Antworten, die erwartungsgemäß bei vielen nicht auf Gegenliebe stoßen werden. So fordert er von Gastronomen besonders der Spitzenküche, nicht nur nach der sensorischen, sondern auch nach der ökologischen Qualität der Produkte auf ihrem Teller zu fragen. Was bei Fleisch und Gemüse schon längst Normalität ist, muss auch bei Fisch und Meeresfrüchten Standard werden. Er stellt die MSC-Zertifizierung mit all ihren Pros und Kontras vor, und ruft Verbraucher auf, bewusst mit dem Produkt Fisch umzugehen.
Charles Clover weckt Mitgefühl für Fischer, zeigt Projekte, die mit bewusstem Naturschutz die Lebensbedingungen für Fischer und Meeresbewohner verbessert haben, und bohrt immer wieder in klaffenden Wunden bei der politischen Verwaltung der Fischbestände. Wer hätte gedacht, dass etwa die Bush-Regierung Teile des Ozeanes für lukrative Aquafarmen privatisieren möchte? Wer gebietet Einhalt, wenn gentechnisch veränderte Riesenlachse plötzlich natürliche Populationen durchmischen (und irgendwann diese dann wahrscheinlich nur noch mit Lizenzgebühren an die Gentech-Konzerne gefischt werden dürfen?)
Vor allem aber ist „Fisch kaputt“ (im Original treffsicher mit The End of the Line betitelt, ein Wortspiel aus der Langleinenfischmethode und der Tatsache, dass wir das Ende der Nahrungskette und des kommerziellen Fischfangs erreicht haben) ein aufrüttelndes Dokument, das zeigt, dass es für die Ozeane längst 5 nach 12 ist; dass die Fangmethoden für delfinfreundlich gefangenen Tunfisch dennoch Dutzende anderer Lebewesen im Meer schwer schädigen; dass besonders die EU, die als Anrainer kleinerer Ozeane wie Nordsee und Mittelmeer ein Interesse am Schutz der Meere haben sollte, ihren Fischern auf Kosten armer Drittweltländer immer neue Fanggründe sichert, die diese rücksichtslos ausplündern können; und dass in den Köpfen der Politiker noch lange nicht angekommen ist, dass es so nicht weitergehen kann, weil ansonsten jeglicher Fischerei die Lebensgrundlage entzogen wird.
Dass es auch ganz anders geht, zeigen Nationen wie Neuseeland, die die Fischer und ihre Fangquoten per Satelliten überwachen lassen und drastische Strafen verhängen, wenn es zu Verstößen kommt, wogegen Europa Plünderungen durch seine Gesetzgebung quasi noch fördert. Ein Buch, das das Stück Fisch im Halse steckenbleiben lässt. Und auch grün angehauchte Leser müssen die bittere Pille schlucken, dass ein Fisch-Mac unter dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes weit besser abschneidet als das Sushi vom Edeljapaner.
Ein Anstoß, etwas zu verändern, der vor allem von Politikern und Fischern gelesen werden sollte. Aber auch der Verbraucher kann seinen Teil dazu beitragen – durch bewussten Konsum, durch die Förderung von Projekten wie MSC oder den Verzicht auf fast ausgestorbene Fischarten auf dem Teller, und vielleicht auch dadurch, Politiker für das Problem zu sensibilisieren.
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