Alan Cumming – Not My Father’s Son
Alan Cumming kennen die meisten wohl als glatten Anwalt Eli Gold aus der TV-Serie „The Good Wife“, wo er mit einem ebenso glatten amerikanischen Englisch durch die Welt geht. Umso mehr überrascht es, wenn man den Schauspieler dann das erste Mal in der Hörbuchversion seines biografischen Werkes Not My Father’s Son reden hört – sanft und mit einem ausgesprochen angenehmen schottischen lilt.
Alan Cumming – Not My Father’s Son
In diesem Buch erzählt Alan Cumming einen Teil seiner Lebensgeschichte – von seiner Kindheit in Schottland, einem Vater, der ihn, den schwächlichen jüngeren Sohn, der nie etwas gut genug machen konnte, systematisch vertrimmte, der soff, und auch sonst eher ein gewalttätiger Mistkerl war. Gegen den Willen seines Vaters, aber mit der Unterstützung seiner Mutter, flüchtet Cumming schließlich, und ergreift die Chance, eine Schauspielschule zu besuchen.
Allein dieser Teil seines Lebens wäre schon ein Buch wert, und Cumming weiß ebenso spannend zu erzählen wie die Geschichte, die er in Rückblicken aus der Jetztzeit (getrennt mit ‚Now‘ und ‚Then‘ als Ansage) erzählt, in Szene zu setzen. Man fühlt mit ihm, durchlebt seine Verwirrung und Wut und Erleichterung, als sein Vater ihm irgendwann eröffnet, er sei das – deswegen ungeliebte – Kind einer Affäre seiner Mutter mit einem anderen; quasi nur deswegen habe er den kleinen Alan vertrimmt, während sein „männlicher“ Bruder weniger unter dem Vater litt. Was für eine Erleichterung, nicht der Sohn dieses Mannes zu sein, und gleichzeitig – was für ein Schock! Und dann die größte Frage von allen: stimmt die Geschichte überhaupt?
Parallel dazu begibt sich Cumming für die britische Serie „Who do you think you are“ auf eine Reise in die Vergangenheit seiner Familie, um herauszufinden, was aus seinem verschollenen Großvater wurde, und aus diesem Graben in der Vergangenheit ergeben sich Erkenntnisse für seine gesamte Familie, die ihn zutiefst erschüttern…
Ich habe das Buch während einer langen Bahnfahrt gehört, und war froh, auf der Hälfte unterbrechen zu müssen – obwohl es schwer fiel – weil die Intensität der Geschichte, ebenso wie der sehr unter die Haut gehende Vortrag von Cumming mich stark berührt haben.
Das ist keine Biografie im klassischen Sinne, sondern ein in Zusammenhänge eingebundener Ausriss aus einem Leben, der gerade wegen dieser thematischen Fokussierung solch intensive Wirkung entfacht. Dabei kommt in dem Buch auch das Leichtfüßige nicht zu kurz – Ausflüge in eine Produktion etwa, bei der Cumming in Südafrika einen Transvestiten spielte, zu einer Zeit, da seine Familienforschung ihn stark beschäftigte, oder kleine Details aus dem Sexualleben von Eli Gold, oder auch Blicke auf die Wärme und Herzlichkeit, die sein Bruder, seine Freunde und sein Partner für ihn aufbringen.
Es ist ein Krimi, der sich dem Hörer entfaltet, ein Krimi, der das Leben von Cumming und seiner Familie umfasst, und dessen Auflösung auf jeden Fall schmerzhaft sein muss.
Berührend, großartig erzählt, und mit gänsehauterzeugender Intensität gesprochen – eins der besten Hörbücher der letzten Jahre.
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