Science Fiction

Stephen King – Dreamcatcher

Vier Männer, Freunde seit Kindertagen, treffen sich zu ihrem jährlichen Jagdausflug in den Wäldern von Maine. Sie alle leiden in der einen oder anderen Form an Midlife-Crisis, am Verlust von Illusionen, Träumen, Hoffnungen – Beaver, dessen letzte Beziehung gerade gescheitert ist; Pete, der einmal Astronaut werden wollte und heute ein Autoverkäufer mit einem Alkoholproblem ist; Henry, der Psychiater, der kühl seine Selbstmordoptionen durchdenkt, und Jonesy, Dozent für Geschichte, der sich gerade von einem verheerenden Verkehrsunfall erholt, bei dem er starb und wiederbelebt werden musste.

Stephen King – Dreamcatcher

Nach und nach erfahren wir in Rückblenden, was diese vier Männer so eng aneinander bindet – ein 5. Kind, Douglas, genannt Duddits, ein Junge mit Down-Syndrom. Seit Jahren haben sie ihren Freund Duddits nicht mehr gesehen, deswegen beschließen sie, ihn nach dem Jagdausflug aufzusuchen. Doch es kommt alles anders. Ein verwirrter, offensichtlich todkranker Mann stolpert in ihr Camp. Noch ehe sich die Freunde einen Reim darauf machen können, kippt der Plot von einer psychologischen Studie in blanken Horror: aus dem Fremden wächst ein mörderisches Alien…

Während die atmosphärischen Details, der wachsende Horror, die Verbindung der Freunde zu ihrem Kumpel Duddits mit der Brillanz geschildert sind, die man von King kennt, bleiben andere Teile des Buches streckenweise unter Kings Möglichkeiten. Man fragt sich, welchem B-Movie zum Beispiel der Anführer der Special Forces entsprungen ist, der die Invasion der Aliens in den Wäldern Maines eindämmen soll. Commander Kurtz ist ein plumper, mörderischer Militärpsychopath der übelsten Sorte und man wünscht sich, King hätte der Figur etwas mehr Tiefe und Ambivalenz gegeben.

Der Mittelteil des Buches, der uns in die militärische Operation versetzt, die 350 Zivilisten samt allen vermutlich infektiösen und bösen Aliens vom Antlitz der Erde brennen soll, ist recht zäh und um mindestens 100 Seiten zu lang geraten – hier hätte ein Lektor auf etwas Straffung bestehen können und sollen.

Der Plot gipfelt in einer fulminanten Verfolgungsjagd dreier Gruppierungen quer durch Neuengland, nur behindert von einem Blizzard. Wäre nicht der Kampf von Jonesy, dessen Geist und Körper von einem Alien besessen sind, und der in seinem Hirn einen bisweilen aberwitzigen, aufregenden psychologischen Krieg gegen den Ursupator führt, welcher die Menschheit unterjochen will (und wird, wenn man ihn nicht bremst), wäre dieser Teil des Buches geradezu unerträglich fade. Schließlich ist klar, dass die drei Gruppen – Jonesy mit seinem Alien, Henry, ein Ex-Militär und Duddits sowie der durchgeknallte Covert-Ops-Boss mit seinen Schergen – sich erst in letzter Sekunde treffen werden, um ein filmreifes Finale samt Shoot-Out hinzulegen.

Was Dreamcatcher trotz seiner Schwächen lesenswert macht, ist sowohl Kings Verarbeitung seines Unfalls und seiner körperlichen und seelischen Qualen in den Figuren wie auch seine Fähigkeit, aus der Banalität heraus glaubwürdigen Horror und Gänsehaut zu erzeugen. Stark ist das Buch da, wo sich King der Verbindung zwischen Imagination und Realität, der Macht der Erinnerungen und des Geistes annimmt und wieder einmal eine besondere Freundschaft beschreibt, in die er den Leser unmerklich und gnadenlos miteinbindet.

Teilweise große Kunst, teilweise offenbar gezielt auf eine Verfilmung hin geschrieben und arg flach, ist Dreamcatcher wohl nicht Kings bestes Buch, aber auch nicht sein schlechtestes.

Bewertung: ★★★☆☆