San Sombrèro: Karibik, Karneval und Kakerlaken
San Sombrèro: Karibik, Karneval und Kakerlaken
Amazon.de schreibt zu diesem „Reiseführer“:
San Sombrèro (…) heißt das mittelamerikanische Ziel der total verrückten Reiseführer-Reihe, die Länder beschreibt, die es gar nicht gibt! Nach dem zart-bitteren, osteuropäischen Molwanien und dem süß-sauren, südostasiatischen Phaic Tan ergänzt (…) das exotisch-scharfe San Sombrèro die Destinationen-Landkarte der mega-schrägen, aus Australien stammenden Guides.
Wenn Lateinamerika witzig überzeichnet dargestellt wird, gibt es morgens Frühstücksflocken mit Rum, dann tanzen Urlauber zur Ruhmeshalle der Seeräuber. Neben landeskundlichen Infos erfahren Leser alles zu den Regionen San Sombrèros — von der lärmenden Hauptstadt Cucaracha City, in der sich korrupte Präsidenten nur drei Monate an der Macht halten, bis zum dichten Regenwald Maraccas, wo Öko-Lodges so schnell aus dem Boden schießen, wie der Regenwald abgeholzt werden kann. Trendsetter seilen sich in Krater hinab, denn „Volcano-ing“ ist echt angesagt. Auf traditionelle Art hingegen wird das Essen in heimischen Strandcafés serviert — „nach zwei Stunden Wartezeit, kalt und an den falschen Tisch“
So weit, so falsch…
Nach dem Reiseführer in das Balkan-Land Molwanien, der gewissermassen Kultstatus als Satire auf Reiseführer und gleichzeitig augenzwinkernde Glosse über die Eigenheiten ehemaliger Ostblock- und Balkanstaaten geniesst – eine höchst amüsante Lektüre – haben die Autoren Tom Gleisner, Santo Cilauro und Rob Sitch sich dieses Mal aller Lateinamerika- und Karibik-Klischees angenommen die man auf einem Haufen versammeln kann. Und der Reiseführer, der ausführlich mit Karten, Symbolen, Tips und Tricks ausgestaltet ist, ist kaum noch von einem professionellen Guide zu unterscheiden, bis hin zur Ankündigung weiterer Titel (mit weiteren fiktiven Staaten) auf den letzten Seiten des Buches.
Die Karten, Ortsnamen und die spassige Legende zu den Karten sind sehr vergnüglich anzuschauen, hier wurde mit viel Liebe zum Detail gearbeitet. Das ist aber leider auch schon das Beste was ich über diesen Reiseführer sagen kann.
Denn die Beschreibungen lesen sich wie das who-is-who der plattesten, tumbesten Klischees und Vorurteile über die spanischsprachige Welt jenseits des Atlantiks, von Drogenhandel und Machismo bis Korruption und Zigarrenproduktion. Kaum ein Text kommt ohne zotige Gags über Gewalt, Kriminalität und Schmutz aus, zu den wenigen Highlights zählen ein Organigramm der politischen Struktur San Sombrèros sowie ein Exkurs über das Angeln und die Fischarten in den Gewässern des Landes. Der übrige Humor bewegt sich aber weitestgehend auf dem Niveau von besoffenen Stammtischschenkelklopfern, sieht man von einer Menge sprachlicher Gags bei san sombrerischen Namen und Bezeichungen ab, für deren Genuss man aber mehr als nur rudimentär Spanisch verstehen sollte. Die allein können das Buch jedoch nicht retten.
Was bei Molwanien noch Esprit versprühte, wird in San Sombrèro zu einem langweiligen Mischmasch, der die immer selben plump vorgebrachten Klischees von Armut, Drogenhandel und Umweltzerstörung auf knapp 200 Seiten wieder und wieder remixt, ohne dabei je wirklich witzig zu wirken – eher schon hat man das Gefühl, die Autoren treibt ein tiefer Hass auf Lateinamerika. Kakerlaken kommen übrigens nur in Form der Stadt Cucaracha vor, und auch den im Untertitel angekündigten Karneval sucht man vergebens.
San Sombrèro: Karibik, Karneval und Kakerlaken ist ein launiger Pseudo-Reiseführer durch Lateinamerika, mit sicher dem einen oder anderen Körnchen Wahrheit, aber lustig ist es mitnichten. Schade.
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