Krimi / Thriller

Jonathan Kellerman – Bones

Der 23. Roman aus der Alex-Delaware-Reihe

Kellerman. Bones

Jonathan Kellerman – Bones

Alex Delaware is back. Ich habe den einen oder anderen Roman der Reihe ausgelassen, aus vielen Gründen, und auch diesen habe ich eher zufällig in der Bibliothek ergattert – und gestutzt, verbinde ich doch mit ‚Bones‘ im Titel seit langem eher die Romane von Kathy Reichs. Aber es handelt sich in der Tat um einen der Thriller um Psychologe Alex Delaware und seinen Freund, Lt. Milo Sturgis, Mordermittler in Los Angeles.

Irgendwie jedenfalls.

Das Ganze beginnt mit einem troubled kid, einem ziemlich verzogenen Bengel der Generation digital natives, der wegen eines Betrugsversuchs bei einer Klausur Sozialdienst schrubben muss, in einem Naturschutzgebiet, für das er sich nicht die Bohne interessiert. Des Nachts ruft jemand dort an, und berichtet, etwas Totes liege in den Sümpfen. Der Junge hält das ganze für einen blöden Scherz seiner Freunde, und berichtet es erst viel später – aber tatsächlich liegt eine Leiche auf dem Boden des Naturschutzgebietes – und wie sich bald herausstellt, nicht nur eine. Das neueste Opfer allerdings ist eine offenbar sehr nette junge Klavierlehrerin, die für eine superreiche Familie deren hochbegabten Sohn in Musik unterrichtete – welchen Grund hatte jemand sie zu töten?

Allen Leichen gemeinsam ist, dass ihnen eine Hand fehlt.

Gemeinsam mit Milo Sturgis zieht Alex Delaware los, den Mörder dingfest zu machen. Und schon bald tauchen erste Verdächtige auf. Hatte die Klavierlehrerin einen Lover in der BDSM-Szene, der sie erwürgt hat? Oder steckt vielleicht der Hausverwalter dahinter, der die Villen der reichen Familie in deren Abwesenheit betreut, und der ein Auge auf die schöne junge Frau geworfen hatte? Immer komplexer werden die Verbindungen zwischen Ereignissen, die scheinbar rein gar nichts miteinander zu tun haben…

So weit, so gut. Oder so schlecht. Die Mordgeschichte ist für meinen Geschmack etwas zu konstruiert und nicht zwingend genug, und die Auflösung wird bereits auf ca. 3/4 des Romans überdeutlich. Dafür brilliert Kellerman einmal mehr mit seinen sprachlich eleganten Beschreibungen der Szenerie, die das ländliche wie das urbane Kalifornien zu einem sinnlichen Leben erwecken, so dass man die Landschaften beinahe sehen, den Staub der Straße fast schmecken, die Kühle schattiger Drives in den Canyons beinahe verspüren kann – das macht Spaß.

Viel zu kurz kommt allerdings alles andere, das für mich die Kellerman-Romane früher ausgemacht hat: Etwa der (Kinder-) Psychologe Alex, der nicht nur als Sidekick des großen starken schwulen Mordermittlers auftritt, sondern stets auch eine eigene Agenda verfolgt. In Bones wirkt Alex wie der Cop-Partner von Milo, nicht wie ein psychologischer Consultant. Und auch der Aspekt, einem verstörten Kind zu helfen, ist völlig weggefallen, die Psychologie bewegt sich auf dem küchenpsychologischen Niveau einer Nullachtfünfzehn-Krimiserie, und Delaware ist im Grunde für den Fortgang der Geschichte nicht entscheidend. Für eine Hauptfigur finde ich das fatal.

Nebenfiguren wie Rick, der langjährige Lover von Milo, oder Robin, scheinen nurmehr in die Jahre gekommenes dekoratives Beiwerk zu sein, dafür führt Kellerman einen Rookie-Cop und eine toughe Anwältin ein, die so viel Esprit versprühen, dass es höchst wahrscheinlich ist, dass man sie bald in einem eigenen Roman lesen wird.

Während noch vor zwei Bänden andere Partner das Leben von Robin Castagna und Alex bevölkerten, scheint nun alles im Friede-Freude-Eierkuchen-Reich einer alteingespielten Beziehung angekommen zu sein – das passiv-aggressive Beziehungsdrama von etwa The Murder Book war zwar nervtötend, aber das Altes-Ehepaar-Gefühl sowohl zwischen Robin und Alex als auch zwischen Milo und Alex lässt die Spannungen vermissen, die dem Psychologen bisher Kanten und Ecken gaben. Wieder einmal zeigt sich, dass Serienhelden nur eine gewisse Halbwertzeit haben, und es manchmal vielleicht klüger wäre, sie ruhen zu lassen.

Summa summarum ist Bones dennoch ein durchaus spannender und mit – nach 23 Bänden kein Wunder – Routine geschriebener Krimi, der annehmbar unterhält, wenn man an die Hauptfiguren nicht Erwartungen altgedienter treuer Fans stellt. Eine Empfehlung für einen Band 24 ist es für mich allerdings nicht.

Bewertung: ★★☆☆☆