Patricia Cornwell – Trace
Der 13. Roman der Kay-Scarpetta-Reihe
Nach Blow Fly war ich mir nicht sicher, ob ich
Patricia Cornwell: Trace
wirklich lesen wollte.
Das Urteil gibt es ausnahmsweise vorab statt am Ende: Der Roman war nicht so grottenschlecht wie Blow Fly, es findet eine Rückbesinnung auf die alten Werte (forensische Ermittlungen und Kay Scarpetta im Mittelpunkt) statt, und größtenteils ist die Story spannend. Dennoch erreicht Trace nicht das Niveau der ersten 10 oder 11 Scarpetta-Romane, und ist nur hartgesottenen Cornwell-Fans zu empfehlen.
Das geht schon damit los, dass der Roman – wie auch Blow Fly in der dritten Person geschrieben – ewig lang braucht, bis wirklich etwas Aufregendes passiert. Immerhin, schon in den einleitenden Zeilen sitzt Scarpetta mit Marino im Auto und kehrt an den Ort ihres vorherigen Wirkens, Richmond, Virginia, zurück.
Sie ist dort auf Einladung / Bitten des amtierenden Chief Medical Examiners, Dr. Marcus, der sie um Beistand in einem besonders kniffligen Fall gebeten hat. Doch zunächst erleben wir mit Scarpetta, wie das Gebäude, in dem sie früher arbeitete, abgerissen wird, Es ist überdeutlich: eine Ära – die Ära von Scarpetta als Chief Medical Examiner – ist zu Ende, es gibt kein Zurück.
Ein kleines Mädchen, Gilly Paulsson, ist gestorben. Zunächst sieht alles nach einer Grippe aus, aber bei der Autopsie kann niemand einen echten Grund finden, warum das Kind gestorben ist. Und dann entdeckt man am Körper des Kindes Spuren – trace evidence – die mit denen eines anderen Falles identisch sind, bei dem ein Mann vorgeblich bei einem Unfall von einem Traktor zerdrückt wurde – oder waren beide Fälle Mord? Aber wo ist der Zusammenhang?
Hätte sich Cornwell damit begnügt, Scarpetta und Marino ihren Job machen zu lassen, es wäre ein passabler Krimi dabei herausgekommen. Leider windet sie eine Nebenhandlung um Supergirl Lucy Farinelli, die vollkommen verzichtbar ist, lässt uns wenig später wissen, dass Dr. Marcus (natürlich, wie auch sonst) Scarpetta insgeheim hasst und seine Chance gekommen sieht der übermächtigen Kollegin endlich am Zeug zu flicken, und dazwischen erleben wir eifersüchtelndes Geplänkel mit Benton Wesley, das keinen Sinn ergibt. An einer Stelle behauptet / weiß Benton, dass Kay ihn bedingungslos liebt, und an anderer Stelle ist Scarpetta eifersüchtig, nur weil der Mann, den sie liebt, mal wieder irgendwo geheim undercover einen Job erfüllt (von dem er ihr nichts erzählen darf), und sie eine Frauenstimme hört?
Eingeflochten sind ein paar Szenen zwischen Pete Marino, der immer noch heimlich auf Scarpetta steht und sich im Suff in eine peinliche und gewalttätige sexuelle Affäre hineinziehen lässt, und Scarpetta, die sich um ihn als guten Freund kümmert und für ihn auch in den dunklen Stunden da ist. Die hier gezeigte Beziehung ist sehr seltsam, aber mit der stärkste Part dieses Romans, da er die alten Zu- und Abneigungen beider Charaktere gekonnt wieder aufgreift.
Rund die Hälfte des Romans ist spannend zu lesen, am Ende flaut der Spannungsbogen aber gewaltig ab, und ähnlich dem Schluß von Blow Fly findet die tatsächliche Auflösung ohne Kay statt, während diese in einer eigenartig leidenschaftslosen und unbefriedigenden Szene am Ende ihre Beziehung zu Benton Wesley wieder aufnimmt.
Trace. The New Scarpetta Novel ist ein Schritt in die richtige Richtung, gleichzeitig frage ich mich aber auch, ob es nicht wirklich besser gewesen wäre, die Scarpetta-Reihe bei The Last Precinct enden zu lassen, denn das was Scarpetta ausmachte – ihr Job als Medical Examiner – ist nicht mehr. Ein Action-Spinoff mit Lucy Farinelli als Hauptfigur hätte wohl mehr Sinn gemacht, sieht man sich die Handlungsverläufe an.
Bewertung: