Ken Follett – The Third Twin
Janie Ferrami befasst sich mit Zwillingsforschung. Sie entwickelt eine Software, mit deren Hilfe voneinander getrennte Zwillinge identifiziert werden können, die bislang nichts voneinander wussten. Dabei entdeckt sie, dass ein Jurastudent an ihrer Universität einem brutalen Vergewaltiger täuschend ähnlich sieht – zu ähnlich, um ein Zufall zu sein. Die beiden müssen Zwillinge sein. Doch sie wurden an unterschiedlichen Orten geboren, zu unterschiedlichen Zeiten, von verschiedenen Müttern. Beim Versuch, mehr herauszufinden, sticht sie in ein Wespennest. Ihr eigener Vorgesetzter ist in etwas verwickelt, das bis in die Nixon-Ära zurückreicht. Es geht um Biotechnologie, Genetik und sehr sehr viel Geld, und so nimmt die Katastrophe ihren Lauf…
Ken Follett – The Third Twin
Ich habe „Third Twin“ mit Vergnügen gelesen – es ist ein spannend geschriebener Thriller mit unerwarteten Wendungen und einer Heldin, die so ganz un-Hollywood daherkommt – sie hat einen Nasenring, ein paar Pfund zuviel, steht auf jüngere Männer (das kommt bei Follett öfters vor) und raucht auch schon mal Gras. Nichtsdestoweniger hat sie es geschafft, einen Professorenposten an einer renommierten medizinischen Uni zu ergattern. In Deutschland wurde „Der dritte Zwilling“ auch erfolgreich verfilmt. Über den reinen Unterhaltungswert hinaus ist das Buch jedoch nicht sehr gelungen, was vor allem an der mangelhaften Recherche und den unglaubwürdigen Charakteren liegt.
So ist Ferrami nicht nur Genetikerin und Psychologin, sondern auch noch eine begnadete Programmiererin, die es schafft, eine Routine zu schreiben, die auf eine simple Diskette passt und – mal eben – betriebssystemunabhängig als geniale Indexierungs- und Suchmaschine für beliebige Daten dient.
Geradezu comichaft bricht die Wissenschaftlerin mit ihrem Komplizen ins Pentagon ein, um dort Daten zu stehlen, was ihr nicht nur ganz locker gelingt; nein, Kollege Steve entkommt auch noch seinen professionellen Häschern ohne allzuviel Mühe in einem Linienbus… das ist wirklich unglaubwürdig.
Alle Bösen in diesem Roman sind selbstredend geld- und machtgeile Republikaner – selbst mir als Nichtamerikanerin stößt das sauer auf; außerdem sind die Gegner Ferramis einfach himmelschreiend dämlich und selbstbezogen und denken keine Sekunde lang logisch. Weite Teile des Romans sind sie damit beschäftigt, darüber zu jammern was passieren könnte, falls ihre sorgfältig gehüteten Geheimnisse ans Tageslicht kommen; die Planung wirkt dilettantisch, die Storyline unausgegoren und kaum bis zu Ende gedacht. Die Tatsache, dass sich Follett offenbar auch mit der wissenschaftlichen Methodik, die er z.B. im Hinblick auf psychologische Forschung anführt, nicht befasst zu haben scheint – was er beschreibt, lässt so manchem Fachmann die Haare auf dem Kopf grau werden – verstärkt den Eindruck, dass der Autor hier vor allem Effekthascherei betrieben hat. Weniger (und dafür Fakten) wäre mehr gewesen.
Das ist sehr schade, denn in „The Third Twin“ steckt ein großes Potenzial. Es hätte mehr als reine Unterhaltung werden können – ein Wissenschaftsthriller, der den Themen die Follett anspricht – z.B. der beliebigen gentechnischen (Re-)Produktion menschlicher Lebewesen oder der Frage von Genetik vs. Sozialisierung – den Stellenwert einräumt, der angemessen wäre. So bleibt der Roman eine routiniert geschriebene, aber etwas hohle Urlaubslektüre, deren wichtigstes Geheimnis – die Existenz eines dritten Zwillings – bereits im Titel verraten wird. (Geborene dritte Zwillinge wären Drillinge und spätestens mit den unterschiedlichen Geburtsorten der offensichtlichen Zwillinge bleibt nur noch Klonen als beherrschendes Thema übrig…)
Wer ohne viel Anspruch gut unterhalten werden möchte, oder die Verfilmung mochte, findet in „Third Twin“ eine durchaus fesselnde Lektüre. Wissenschaftliche Genauigkeit und zwingende Plots mit glaubwürdigen Charakteren sind zumindest in dieser Produktion des Bestseller-Autors nicht zu finden.
Bewertung: