Reisen

Anne-Kathrin Müller – Mein Jakobsweg. Von Erfurt bis ans Ende der Welt

Was bewegt eine 45jährige Frau, zu Fuß 12 Wochen lang 1800 km quer durch Europa zu laufen? Was sucht und findet sie fernab der Heimat?

Das sind die Fragen, die der Klappentext zu

Mein Jakobsweg

Mein Jakobsweg: Von Erfurt bis ans Ende der Welt

stellt, Fragen, auf die ich gern eine Antwort gefunden hätte in diesem Buch.

Anne-Kathrin Müller macht sich eines schönen Tages auf den Weg, den Jakobsweg zu laufen, aber nicht wie viele andere Pilger erst ab der spanisch-französischen Grenze, sondern auf einer der heute beschilderten / gekennzeichneten Routen der Jakobspilger früherer Zeiten. Sie geht in Erfurt los, und will von dort über Frankreich bis zum Kap Finisterre laufen, dem Endpunkt des Jakobsweges und dem „gefühlten“ Ende Kontinentaleuropas.

Schon bald merkt sie, dass ihre Kalkulationen in Sachen Zeit, Wegstrecke und Gepäck von vorn bis hinten nicht stimmen; und das, obwohl sie nach dem „spontanen“ Entschluss loszugehen 11 Monate Vorbereitungszeit hatte; auch ihr Training für die Strecke und die Lasten, die sie tragen will, ist unzureichend, wie die ersten Berichte ihrer ersten Wandertage beweisen.

Die meisten Langstreckenwanderer stellen irgendwann fest, dass sie das, was vor ihnen liegt, unterschätzt haben, das ist hier nicht anders. Immerhin ist Müller irgendwann klug genug, zu begreifen, dass sie „ihre“ Wanderung für sich macht, und wenn es für sie stimmig ist, einen Teil der Strecke (durch Frankreich) per Zug zurück zu legen, das so in Ordnung geht. Auf dem Appalachian Trail würde man sagen hike your own hike.

Als Reisetagebuch ist dieser Bericht angelegt – rund die Hälfte der 190 Seiten verbringt die Autorin damit, ihre Wanderung bis in die Schweiz zu beschreiben, der restliche Jakobsweg wird in die übrigen Seiten gequetscht. Aber man verpasst eigentlich auch nichts. Weder beschreibt sie die Landschaften, die sie durchwandert, noch lässt mich der einfache, mit plakativen Adjektiven und Ausrufezeichen reichlich ausgeschmückte Stil irgendwie an ihrem inneren Werden und Wachsen teilhaben.

Da ergeht sich die nicht getaufte (ihre Hervorhebung) Reiki-Ausbilderin, Geomantin und Feng-Shui-Lehrerin in ihrer persönlichen Bedrücktheit, die am Gründonnerstag natürlich daher rühren müsse, dass die Welt über Jesu Leid trauert, und hat alle paar Tage Instant-Erleuchtungen und tiefste Erfahrungen, die aus jedem Standard-Esoterik-Selbsthilferatgeber zu kommen scheinen. Sie berichtet von Erschöpfung, Tränen, Selbstzweifeln, und doch wird für mich die relativ inhaltsleere Erzählung übertüncht von schönfärberischem, unecht emotional wirkendem Geschwafel, das bereits nach wenigen Seiten das Lesen einfach uninteressant macht.

Man merkt, der Stil der Autorin und ich kommen nicht zusammen. Was sie berichtet, ist örtlich völlig austauschbar; würde sie von einem Spaziergang durchs Ruhrgebiet oder Weißrussland erzählen, könnten die Texte beinahe genauso passen. Es fehlt sowohl die Atmosphäre, das Flair, das eine echte Reiseerzählung ausmacht, als auch die langsamen, tiefen, inneren Prozesse, die nur mittels Beschreibungen wie „ich war erschöpft“, „meine Tränen flossen“, oder ihre Trauer über den Verlust eines Kindes, die wieder in ihr aufbricht, Erwähnung finden; auch hier bekomme ich keine Beziehung zur handelnden Person und ihren Emotionen. Ich will gar nicht bezweifeln, dass für die Autorin alles sehr intensiv und authentisch war, nur kann sie es leider (mir) nicht vermitteln.

Erhofft hatte ich mir einen anderen Blickwinkel auf das Langstreckenwandern und den Jakobsweg, auf andere Routen, und Einsichten, aber all das liefert das Buch nicht.

Schade, und komplette Zeitvergeudung.

Bewertung: ★☆☆☆☆