Biographien

David Roberts – Finding Everett Ruess

Finding Everett Ruess by David Roberts, with a foreword by Jon Krakauer, is the definitive biography of the artist, writer, and eloquent celebrator of the wilderness whose bold solo explorations of the American West and mysterious disappearance in the Utah desert at age 20 have earned him a large and devoted cult following. More than 75 years after his vanishing, Ruess stirs the kinds of passion and speculation accorded such legendary doomed American adventurers as Into the Wild’s Chris McCandless and Amelia Earhart.

lautet die Kurzbeschreibung bei Amazon.de zu

Finding Everett Ruess

Finding Everett Ruess: The Life and Unsolved Disappearance of a Legendary Wilderness Explorer

Nach Jon Krakauers Into the Wild, das ich sehr mochte, war ich gespannt auf dieses Buch, welches einen „Explorer“ und Künstler gleichermaßen darstellen sollte. Everett Ruess (der hier verlinkte Wikipedia-Artikel fasst recht gut zusammen was über ihn bekannt ist) begab sich als Teenager auf immer längere Touren durch die Wildnis der USA, bis er schließlich im Alter von ungefähr 20 irgendwo in den Wüstenlandschaften von Utah verschwand.

David Roberts hat versucht, aus den Materialien, die Ruess hinterließ, eine Biographie zu erstellen – kein ganz leichtes Unterfangen, denn gut 70 Jahre nach dem Verschwinden eines jungen Mannes noch Zeitzeugen zu finden, ist nahezu unmöglich. So stützt sich Roberts vor allem auf die Briefe und Tagebücher, die der Familie Ruess von Everett geblieben sind, und die Arbeit anderer Ruess-Enthusiasten, wie Everett Ruess: A Vagabond for Beauty.

Man merkt, dass sich der Autor tief in sein Recherchethema eingearbeitet hat. Tatsächlich fand ein Großteil davon in Zusammenarbeit mit National Geographic statt, die Roberts für diesen Artikel über Everett Ruess bezahlten. Und beim Lesen des Buches wünschte ich mir, er hätte es bei diesem Artikel belassen, denn im Gegensatz zum Buch ist dieser gestrafft, und halbwegs spannend geschrieben.

Ich fand Finding Everett Ruess mühsam zu lesen, was nicht nur damit zu tun hat, dass Roberts den Leser mit (immer wieder kehrenden) Auszügen aus Ruess‘ teilweise recht belanglosen Briefen anödet, sondern vor allem damit, dass mir das Besondere an Everett Ruess nicht aufgehen will, abgesehen von seinen Kunstwerken, von denen man einige hier sehen kann. Während Chris McCandless bei Krakauer zu einem lebenden, atmenden, Idealismus ausstrahlenden Individuum wächst, ist Everett Ruess einfach nur ein egoistischer Bengel, der das große Glück höchst verständnisvoller Eltern hat, und auf eigene Faust loszieht und sich dabei wie ein Volltrottel aufführt. Die Passagen, die Roberts aus seinen Briefen über das Leben im amerikanischen Südwesten zitiert, über die unbändige Armut und Not der indigenen Bevölkerung, zu der Everett nur einfällt, dass sie sehr unmoralisch seien, weil sie ihn bestehlen (nachdem er festgestellt hat, dass sie ein Jahreseinkommen von ca. 1 Dollar haben), lassen ihn nicht in besserem Licht dastehen.

Everett Ruess ist unsympathisch – und was noch viel schlimmer ist: einfach vollkommen uninteressant. Könnte Roberts wenigstens ein bisschen Zauber in das Buch bringen, etwas vermitteln vom Flair der „Entdeckungsreisen“ eines Künstlers in die atemberaubende Natur der Vereinigten Staaten, man würde es ihm verzeihen. Aber Everett scheint sich nur in Floskeln darüber zu ergehen, was er erlebt. Wo man da einen eloquent celebrator zu finden meint, erschließt sich mir nicht. Das alles macht nicht wirklich Spaß, bleibt langweilig, das Schicksal von Ruess berührt einen eigentlich immer weniger, je weiter man liest. Das Vorwort von Jon Krakauer war der Teil des Buches, der für mich am flüssigsten geschrieben war, und am meisten Lust auf das Weiterlesen machte. Das sagt wohl alles.

Im zweiten Teil des Buches macht sich Roberts daran, die Person Ruess zu ergründen, vor allem aber herauszufinden, was ihm zugestoßen ist oder sein könnte. Hat er sich umgebracht? Wurde er ermordet? Ist er irgendwo einfach nur jämmerlich erfroren, verhungert, verdurstet? Die Analysen, die Roberts versucht, hätten massiv von Kartenmaterial der besprochenen Region profitiert, aber auch so wird klar, dass alles Spekulation bleiben muss. 2009 glaubte man noch, Everetts sterbliche Überreste gefunden zu haben, was der „Legende“ (warum eigentlich?) von Ruess eher nützte als schadete, heute ist man aber sicher, dass es sich nicht um den jungen Mann aus Oakland handelte.

Dafür gibt es mittlerweile ein Kunst- und Kulturfestival in Escalante, dem Ort, wo er zuletzt gesehen wurde, die Everett Ruess Days.

David Roberts bemüht sich, Everett Ruess zu finden – und scheitert, vor allem mit dem Versuch, seinen Leser zu unterhalten. So gut dokumentiert sein Material auch ist, es vermag nicht zu fesseln, und ist ein Langweiler erster Güte.

Bewertung: ★★☆☆☆